Praxisbeispiel zum Rückmeldegespräch
Vorbereitung der Evaluation
In den meisten Fällen führe ich die schriftliche Lehrveranstaltungsbewertung in der dritt- oder viertletzten Sitzung des Semesters durch. So kann ich garantieren, dass die Ergebnisse der Evaluation rechtzeitig vorliegen, damit das Rückmeldegespräch in jedem Fall spätestens in der letzten Sitzung des Semesters stattfinden kann. Bevor ich die Bögen austeile, motiviere ich die Studierenden vor allem, die Freifelder für ihre Antworten zu nutzen und erkläre, dass ich aus diesen Antworten am meisten für mich und meine Lehre ziehen kann. Denn anhand konkreter Beispiele aus den Freifeldantworten „Gut gefallen hat mir…“ und „Verbessert werden sollte“ können wir später im Rückmeldegespräch besser in einen Dialog treten.
Vorbereitung des Rückmeldegespräches
Im Vorfeld des Rückmeldegesprächs setze ich mich selbst intensiv mit den Evaluationsergebnissen auseinander. Dabei interessieren mich vor allem die Antworten, bei denen die Einschätzungen der Studierenden weit auseinandergingen oder bei denen ein Großteil eher schlechtere Noten vergeben hat. In meiner letzten Evaluation waren sich die Studierenden beispielsweise sehr uneinig darüber, ob die Komplexität des Stoffes groß war. Außerdem habe ich mich hier bei der näheren Beschäftigung mit den Ergebnissen auch gefragt, ob die Bewertung des Stoffes als komplex eher negativ aufzufassen ist und im Gegensatz dazu eine Bewertung als nicht allzu komplex als positiv. Wegen meiner eigenen Unsicherheit war es mir wichtig, insbesondere diesen Aspekt im Rückmeldegespräch zu diskutieren. Die Antworten aus dem offenen Frageteil versuche ich für mich selbst zu clustern, um beispielsweise die zentralen Kritikpunkte oder die für mich überraschendsten Ergebnisse herausarbeiten zu können.
Zwei bis drei Punkte im Fokus
Ich empfehle in der Vorbereitung auf das Rückmeldegespräch zwei bis drei Punkte herauszugreifen, auch im Hinblick auf das Zeitmanagement. Das kann zum Beispiel ein Aspekt sein, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob ich ihn richtig verstanden habe. Im konkreten Fall des Sommersemesters waren das Rückmeldungen, dass Thesenpapiere fehlten. Mir war an dieser Stelle nicht direkt bewusst, auf welche Art und Weise Studierende von Thesenpapieren profitieren. Hier hat sich im später erfolgten Rückmeldegespräch mit den Studierenden dann ergeben, dass sie Thesenpapiere als nützliches Hilfsmittel zum Einstieg in eine intensivere Beschäftigung mit einem Thema ansehen und in diesem Fall vor allem Interesse an der aufgelisteten verwendeten Literatur haben. Auch wähle ich Aspekte aus, die ich mit den Studierenden noch einmal intensiver diskutieren möchte, wie beispielsweise den Aufbau der Sitzung in Referat, Textbesprechung und Quellenarbeit, der von manchen Studierenden als wenig abwechslungsreich kritisiert wurde, von anderen hingegen als eine willkommene Erwartbarkeit an den Ablauf der Sitzung. Teilweise greife ich auch Punkte heraus, zu denen ich gerne mehr konstruktive Rückmeldungen hätte. Beispielsweise wenn ich im Laufe des Semesters etwas Neues ausprobiert habe und mir nicht sicher bin, wie dies angenommen wurde. Im vergangenen Semester waren dies von den Studierenden im Vorfeld der Diskussion anzufertigende Lektürenotizen für fünf Texte im Laufe des Semesters. Aufgrund dieser Mehrleistung habe ich im Gegenzug nicht auf die Anfertigung eines Thesenpapiers für das Referat bestanden. Auch nehme ich Kritikpunkte in den Blick, die in meinen Augen eine falsche Erwartungshaltung an universitäre Lehre offenbaren. So spreche ich Punkte wie „zu lange Texte“ oder „Länge der Texte einheitlicher“ oder „weniger Quellenarbeit“ stets an und betone, dass insbesondere Quellen- und Textarbeit elementar wichtig für ein Studium der Geschichte sind und sie unser Handwerkszeug darstellen.
Alle Antworten zeigen
Die Ergebnisse mit Balken und Profillinien bringe ich als pdf-Dokument mit in die Lehrveranstaltung (siehe Abbildung), die handschriftlichen Antworten übertrage ich abgetippt und in Bezug auf Rechtschreibung und Grammatik stillschweigend korrigiert in eine Präsentation, um die Anonymität der studentischen Antworten zu wahren. Hierbei treffe ich keine Auswahl, sondern übertrage alle Antworten in meine Präsentation, damit bei den Studierenden nicht der Eindruck entsteht, dass ich mich nur mit bestimmten Punkten auseinandergesetzt habe und manche studentischen Antworten bewusst nicht zeige. Die Studierenden sollen sich auch in den jetzt abgetippten Antworten schließlich immer noch wiederfinden und wenn Bedarf besteht, auf jeden der Punkte eingehen können.
Quelle: eigene Darstellung
Durchführung
Bei meinen Lehrveranstaltungen handelt es sich entweder um Seminare oder Übungen für Studierende im zweiten Studienjahr des Bachelors. Die Gruppengröße ist jeweils auf 30 Teilnehmende gedeckelt. Zu Beginn des in meinen Lehrveranstaltungen auf circa 30 Minuten angesetzten Rückmeldegesprächs gebe ich mündlich eine kurze Einschätzung zu den gesamten Evaluationsergebnissen ab. Hier kommuniziere ich entweder meine Freude über mehrheitlich positive Ergebnisse oder auch mein Bedauern im Fall von eher schlechteren Ergebnissen. Besonders gefreut haben mich im Sommersemester die Ergebnisse in der Kategorie „nimmt die Studierenden ernst und hat Interesse an ihrem Lernerfolg“, die durchweg sehr positiv waren, sowie die letztlich vergebene Gesamtnote für mein Seminar, bei der die Note 2 die schlechteste Note darstellte. Im Standard-Fragebogen der Fakultät für Geschichtswissenschaften können die Studierenden eine Note von 1 „sehr gut“ bis 5 „mangelhaft“ vergeben (inklusive der Option „keine Angabe“).
Was ich gelernt habe
Persönlich etwas unzufrieden zurückgelassen haben mich die zwar wenigen, aber dennoch teilweise schlechten Noten in Bezug auf die sinnvolle Strukturierung der Veranstaltungstermine. Außerdem mache ich an dieser Stelle deutlich, dass ich mich über die in den meisten Fällen vielen Freifeldantworten gefreut habe und davon im Hinblick auf die Gestaltung und Durchführung meiner zukünftigen Lehrveranstaltungen immens profitiere. Kommentare wie „Ich nehme die Motivation & Begeisterung der Dozentin wahr“, „Ein tolles Seminar!“ und vor dem Hintergrund der oben erwähnten Testphase vor allem die vielen positiven Rückmeldungen zu den Lektürenotizen haben mich erfreut zurückgelassen.
Feedbackregeln einsetzen
Im Anschluss daran erläutere ich das weitere Vorgehen im Rückmeldegespräch und stelle heraus, dass ich das Gespräch als offenes Forum des Austausches verstehe, jede Frage und jeden Beitrag wertschätze und mich über Anregungen und Verbesserungsvorschläge freue. Ich empfehle jeder*m Lehrenden das Motiv des Rückmeldegesprächs, also das eigene Interesse am Lernerfolg der Studierenden und der Weiterentwicklung der eigenen Lehre, darzulegen, um in dieser Situation detailliertes Feedback zu erhalten. Die zuvor in meinen Lehrveranstaltungen bereits besprochenen Feedbackregeln finden in diesem Setting Beachtung. Das gegebene Feedback in meinen Lehrveranstaltungen sollte stets konstruktiv sein, beschreibend sein, konkret sein, subjektiv formuliert sein und nicht nur negativ sein. Zusätzlich betone ich, dass niemand sich zu seiner schriftlich geäußerten Kritik bekennen soll, sondern dass jede*r Studierende eingeladen ist, sich zu den einzelnen Punkten zu Wort zu melden.
Freifeldantworten besprechen
Im nächsten Schritt betrachten wir dann gemeinsam die statistischen Auswertungen. Hierbei haben die Studierenden die Möglichkeit, Fragen zu stellen und ich kommentiere die für mich besonders relevanten Ergebnisse und stelle hier gegebenenfalls Rückfragen oder bitte um weitere Ausführungen und Feedback. Im Sommersemester habe ich zum Beispiel die Komplexität des Stoffes noch einmal bewerten lassen und mir erklären lassen, wie sich die Studierenden eine größere Komplexität vorstellen beziehungsweise wie man diese auch reduzieren könnte. Die Besprechung der Freifeldantworten handhabe ich ähnlich. Der Unterschied ist, dass ich bei den Freitextantworten jeweils unter Beteiligung möglichst vieler Studierende die für mich persönlich relevantesten Erkenntnisse diskutieren möchte. Bei beiden Schritten mache ich mir jeweils Notizen oder hole mir durch Abstimmungen ein Meinungsbild ein.
Abschluss
Am Ende des Rückmeldegespräches bedanke ich mich für die Beiträge (sowohl in den Evaluationsbögen als auch im Rückmeldegespräch) und mache deutlich, welche Denkprozesse diese bei mir angestoßen haben und welche Veränderungen ich mir für meine Lehrveranstaltung im kommenden Semester vorstellen könnte. Für mich sind die eigene Reflexion des erhaltenen Feedbacks, indem ich den Studierenden sofort zurückmelde, was ich davon für mich mitnehme und welchen Einfluss die detaillierten Statements der Studierenden auf meine zukünftige Lehrveranstaltungsplanung und -gestaltung ausüben, wichtige Kernprozesse des Rückmeldegesprächs. Dadurch wird meinen Studierenden so richtig bewusst, welchen Wert Ihr Feedback für mich hat, da sie bemerken, dass ihre Anregungen und Bemerkungen zu meiner Lehrveranstaltung an dieser Stelle wirklich gefragt und nützlich sind und diese in meine weiteren Lehrplanungen miteinfließen werden. Ich als Lehrende verbinde damit zusätzlich die Hoffnung, dass die Studierenden dadurch mehr Motivation entwickeln, sich auch in weiteren Lehrveranstaltungen bei den Rückmeldegesprächen intensiv einzubringen.
Einfluss auf meine Lehrplanung
Ich habe bereits mehrfach die Erfahrung gemacht, dass Studierende im Anschluss an die letzte Sitzung auf mich zugekommen sind und mir berichtet haben, dass sie ein solches Rückmeldegespräch noch nie erlebt haben und es ihnen viel Freude bereitet habe. Im Laufe der vorlesungsfreien Zeit setze ich mich bei der Konzeption meiner neuen Lehrveranstaltung dann noch einmal intensiv mit den Ergebnissen der Evaluation und der Diskussion auseinander und versuche die hier gewonnenen Erkenntnisse und gemachten Vorschläge der Studierenden – wenn möglich – zu berücksichtigen und umzusetzen. So werde ich in kommenden Semestern vermutlich einen weniger starren und mehr abwechslungsreichen Sitzungsablauf gestalten und die Erstellung der insgesamt als sehr positiv aufgenommenen Lektürenotizen mehr anleiten und genauer kommunizieren, wie ich mir diese konkret vorstelle.
Mein Tipp
Ich empfehle eine offene und kritische Besprechung der Evaluationsergebnisse und die eigene Einstellung, diese als Chance für die Verbesserung der eigenen Lehre anzusehen.