Lehrformate in den Ostasienwissenschaften
Klassische Lehrformate
Grundwissen wird häufig in Vorlesungen vermittelt. Teilweise gehen Lehrende zum Format der umgedrehten Vorlesung (Inverted Classroom Model) über. Dazu zeichnen sie beispielsweise Vorlesungen auf oder vertonen ihre Powerpoint-Folien. So können die Studierenden sich zu einem selbstgewählten Zeitpunkt mit den Inhalten befassen und nach Belieben stoppen, um z.B. Begriffe nachzuschlagen. In der Präsenzveranstaltung ist Zeit für Fragen, Austausch und Diskussion.
Gerade für Grundlagen ist dieses Format besonders geeignet, da die Vorlesungen jedes Jahr wieder ohne große Veränderungen angeboten werden, so dass eine Aufzeichnung länger wiederverwendet werden kann. Andere Lehrende bevorzugen es, ihre Vorlesungen weiterhin in Präsenz zu halten, um während des Inputs mit Studierenden ins Gespräch zu kommen.
Die Grundlagenveranstaltungen sind eine erste Gelegenheit für Studierende, ihre eigenen Mythen und Klischeevorstellungen bezüglich ostasiatischer Länder als solche zu erkennen und zu korrigieren.
Dem Umgang mit Hilfsmitteln (Lexika, Bibliographien, Zeitungsarchive, Umrechnungssysteme für historische Daten etc) wird meistens eine eigene Übung gewidmet, die erst stattfinden kann, wenn grundlegende Sprachkompetenz erworben wurde, also etwa im zweiten Studienjahr. Durch den raschen Fortschritt elektronischer Hilfsmittel müssen wir Lehrende die Inhalte häufig anpassen. Der Umgang mit Forschungsdaten gehört eher in das Masterstudium.
Die intensivere Beschäftigung mit einzelnen Themen findet vor allem in Seminaren statt. Sekundärliteratur — auf Englisch oder Deutsch — zu lesen, zu erfassen und kritisch zu betrachten muss erst erlernt werden, ebenso wie das Erarbeiten von originalsprachlichen Quellen. Studierende lesen vor der Sitzung Sekundärliteratur anhand von Leitfragen und diskutieren dann im Seminar, oft auch im Format der Gruppenarbeit oder Fishbowl. In Seminaren halten sie Referate oder Pechakuchas oder sie übernehmen die Sitzungsgestaltung.
Sprachunterricht findet im Übungsformat statt. Sprachenlernen unterscheidet sich an der Universität nicht wesentlich von dem an Schulen, aber die Lernkurve ist hier deutlich steiler und es wird mehr Wert auf Grammatikwissen und analytische Durchdringung von Satzstrukturen gelegt. Oftmals gibt es dafür gesonderten Grammatikunterricht. Ich biete den für Japanisch im umgedrehten Format an: Grammatikvideos für das Selbststudium, im Unterricht dann die Gelegenheit zu Fragen der Studierenden, zu Quizzen, Erarbeitung von Texten in Kleingruppen oder Einübung bestimmter grammatischer Formen.
Großen Raum nehmen Übungen zur situativen Sprachverwendung ein. Im ersten Semester beginnt das mit einfachen Information Gap-Übungen und Dialogen zu Alltagsthemen, später werden berufliche Situationen gespielt, Briefe an Betreuende an japanischen Universitäten formuliert und Referate gehalten.
Die Komplexität der Schrift erfordert im ersten Studienjahr einen eigenen Schriftunterricht. Das handschriftliche Schreiben, auf das im ostasiatischen Raum weiterhin Wert gelegt wird, muss ganz neu erlernt werden. Dazu kommen Lese- und Wortschatzübungen, auch in spielerischen Formaten.
Besondere Lehrformate
Es gibt weitere Formate, die sich anbieten, um Studierende zu motivieren und auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Gebiet zu fördern:
Vor einigen Jahren haben wir beispielsweise ein Projektseminar zu den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki veranstaltet. Die Studierenden übersetzten Untertitel zu Augenzeugenvideos. Ein Gastprofessor aus Japan erklärte historische Hintergründe zu den Geschehnissen, ich als Sprachdozentin unterstützte beim Übersetzen. Durch die intensive Beschäftigung mit den bewegenden Berichten waren die Studierenden emotional so beteiligt, dass sie das Bedürfnis hatten, noch mehr Wissen zu generieren. Für eine korrekte Übersetzung ist immer auch Sachwissen erforderlich, so dass Studierende dann Details zu Lokalitäten oder damals verwendeten Gegenständen erkunden mussten.
Auch die Veröffentlichung des untertitelten Videos und ein Pressebericht zu der Arbeit der Studierenden dürfte das Erlebnis von Selbstwirksamkeit gefördert und motivierend gewirkt haben.
Ein Auslandsaufenthalt ist an der RUB nur im Fach Sprachen und Kulturen Ostasiens obligatorisch, und in anderen Fächern empfohlen. Da man nicht mal eben nach Ostasien reisen kann, fehlt vielen Studierenden die direkte Erfahrung, und sie profitieren sehr von einem Studienaufenthalt — sie verbessern ihre Sprache, vermehren ihr Wissen und ihre interkulturelle Kompetenz und reifen auch persönlich.
Da dieser Auslandsaufenthalt meist erst nach dem vierten Semester absolviert wird und nicht allen möglich ist, bietet es sich an, schon vorher Begegnungen mit Studierenden aus den Zielländern zu ermöglichen. Wir organisieren Tandempartys, wenn Studierende aus Asien nach Bochum kommen und bieten Gelegenheiten, zu Online-Tandems zusammen zu kommen.
Auch gemeinsame Studien- oder Forschungsprojekte mit Gruppen an asiatischen Universitäten sind lehrreich.
Ebenso bietet sich an der Heimatuniversität interdisziplinäre Zusammenarbeit an. Lehrende der Fakultät haben beispielsweise zum Thema Mittelalter gemeinsame Veranstaltungen mit anderen Fakultäten gegeben.