Vorlesungsaufzeichnungen

Infolge der Corona-Zeit stehen inzwischen die meisten Vorlesungen als Aufzeichnung zur Verfügung. Vorlesungen lassen sich recht leicht aufzeichnen. Die Aufzeichnungen werden von den Studierenden jedoch nicht nur positiv gesehen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes haben wir von ihnen folgende Vorteile genannt bekommen (in der Reihenfolge der Zustimmungswerte):

  • Wiederholbarkeit,
  • zeitunabhängig,
  • raumunabhängig,
  • man kann Tempo und Pausen selber bestimmen.

Als Nachteile wurden genannt:

  • Fehlen der direkten Interaktion mit den Lehrenden,
  • direkte Fragen sind nicht möglich,
  • die Selbstmotivation und Selbstregulation (z.B. Kontrolle des eigenen Terminplans) fällt schwer.

Dazu kommt noch die fehlende Interaktion mit und soziale Kontrolle der Mitstudierenden. Eine Vorlesung ist auch ein soziales Ereignis. Die Abstimmung weiterer Aktivitäten, wie z.B. gemeinsame Lerngruppen, findet zwar inzwischen hauptsächlich auf Messenger-Diensten statt, der Wert des persönlichen Gesprächs sollte jedoch nicht unterschätzt werden.

Vorlesungsaufzeichnungen können sehr gut Wissen vermitteln. Zum universitären Lernen gehört aber mehr, zum Beispiel die Diskussion mit den Mitstudierenden. Wem ist es nicht schon einmal passiert, dass er oder sie erst so richtig verstanden hat um was es geht, als man etwas einer anderen Person erklärt hat?

Dazu kommen noch die zufälligen Begegnungen und Gespräche am Rande von Vorlesungen oder auf dem Campus, sowohl der Studierenden untereinander als auch mit mir. Dabei diskutieren sie und wir mitunter Fragen, auf die ich sonst gar nicht gekommen wäre. Der Verlust dieser Gespräche während der Corona-Pandemie hat nach Aussage vieler außerdem zu einem spürbaren Verlust an Kreativität geführt.

Hinsichtlich der Zeitunabhängigkeit tauchte ein weiteres Problem der Vorlesungsaufzeichnungen auf. Die Studierenden haben diese mit nennenswertem zeitlichem Versatz zum „offiziellen“ Vorlesungstermin abgerufen und angeschaut. Dadurch fehlte ihnen die Grundlage für die Hörsaalübungen. Infolgedessen reduzierte sich die Präsenz bei diesen Übungen und die Qualität der abgegebenen Hausübungen verschlechterte sich. Deshalb habe ich regelmäßig Hinweise auf die Bedeutung der Verknüpfung von Vorlesung und Übung per Rundmail an alle Studierenden geschickt.

In Bild 4 ist der zeitliche Versatz der Vorlesungsabrufe zu sehen. Die hellblaue Linie zeigt z.B. die Abrufe der ersten Vorlesung (vom 15.4.2020). Von den knapp 120 eingeschriebenen Studierenden hatten erst Mitte Mai fast alle diese Aufzeichnung abgerufen. Bei der sechsten Vorlesung (vom 11.5.2020, hellgrün) ist es noch gravierender. Diese war einen Monat später (10.6.) erst von etwas mehr als der Hälfte der Teilnehmenden abgerufen worden.

Abbildung 4: Abruf der Vorlesungsaufzeichnungen während der Corona-Pandemie (eigene Darstellung).