Lernziele

Bloom et al. (1956) entwickelten eine allgemeine Taxonomie von Lernzielen, die klare Definitionen dieser bietet und eine präzise Differenzierung zwischen den verschiedenen Lernzielen ermöglicht. Die Taxonomie umfasst sechs Lernzielklassen, die hierarchisch nach aufsteigender Komplexität angeordnet sind.                                                                               

 

Abbildung 1: Taxonomie von Lernzielen in Anlehnung an Bloom et al. (1956) (eigene Darstellung).

Das Wissen bildet das Fundament unterschiedlicher Lernziele. Hierbei sollen Informationen im Gedächtnis gespeichert und erinnert werden. Studierende können also beispielsweise die beim symmetrischen Bargaining geltenden Axiome benennen („Nennen Sie die beim symmetrischen Bargaining geltenden Axiome.“)

Aufbauend darauf umfasst die Klasse Verständnis das Lernziel, die Bedeutung zuvor erlernter Informationen inhaltlich zu begreifen. Studierende der Betriebswissenschaft sind also beispielsweise in der Lage, die Prinzipal-Agenten-Theorie zu erläutern („Erläutern Sie die Prinzipal-Agenten-Theorie.“)

Die Klasse Anwendung hat das Ziel, die erlernten Inhalte korrekt anwenden zu können. Studierende können also beispielsweise eine Kapitalrendite berechnen („Berechnen Sie die Kapitalrendite.“)

Das Lernziel der Analyse besteht darin, Zusammenhänge zwischen erlernten Lerninhalten zu erkennen. Studierende, die an Modulen unseres Lehrstuhls teilnehmen, können also beispielsweise konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen ableiten („Leiten Sie konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen ab.“)

Im nächsten Schritt sollen im Rahmen der Synthese einzelne Lerninhalte auf Grundlage der zuvor analysierten Verbindungen zu einem Gesamtkonstrukt zusammengefügt werden. Studierende können also beispielsweise einen Business Plan entwerfen („Entwerfen Sie einen Business Plan.“)

Abschließend ist die Bewertung das komplexeste Lernziel der Taxonomie. Auf Basis aller vorherigen Klassen sollen Ideen, Methoden und Lösungen kritisch bewertet werden können. Studierende beherrschen also beispielsweise die Beurteilung von Handlungsoptionen aus einer spieltheoretischen Sicht („Beurteilen Sie die Handlungsoptionen aus spieltheoretischer Sicht.“).

In unseren Lehrveranstaltungen adressieren wir zunächst die Lernzielklassen des Wissens und Verständnisses. Anschließend fokussieren wir die folgenden komplexeren Lernzielklassen. Studierende müssen beispielsweise zunächst die Kernaussagen der Prinzipal-Agenten-Theorie wissen und verstehen, um die Theorie im nächsten Schritt anwenden und letztlich beurteilen zu können. 

Bereits bei der Konzeptionierung der eigenen Lehrveranstaltung und der entsprechenden Festlegung von Lernzielen ist es wichtig, das sog. Constructive Alignment zu berücksichtigen.


Abbildung 2: Constructive Alignment in Anlehnung an Biggs et al. (2022) (eigene Darstellung).

Constructive Alignment bedeutet, dass die Lehr- und Lernmethoden sowie die gewählte Prüfungsform systematisch mit den angestrebten Lernzielen der Veranstaltung abgestimmt werden müssen, um die Studierenden effektiver bei der Lernzielerreichung zu unterstützen (Biggs et al. 2022).

Für Ihre Lehre bedeutet dies, dass Sie konkrete Lernziele für Ihre Veranstaltung definieren und an die Studierenden kommunizieren müssen. Wenn das Lernziel beispielsweise darin besteht, dass Studierende in der Modulabschlussprüfung einen optimalen Vertrag gemäß der Prinzipal-Agenten-Theorie (PAT) berechnen sollen, müssen die Lehr- und Lernmethoden explizit darauf ausgerichtet werden.

In unserem konkreten Beispiel ist zunächst eine Erläuterung der grundlegenden Annahmen der PAT notwendig. Zur anfänglichen Erklärung und Visualisierung dieser nutzen wir beispielsweise die folgende Abbildung 3. Anhand dieser Darstellung erläutern wir unter anderem die beteiligten Parteien (Prinzipal und Agent) und die asymmetrische Informationsverteilung zwischen beiden Parteien. Gleichzeitig greifen wir direkt das Lernziel, also die Berechnung optimaler Verträge, auf.

 

Abbildung 3: Visualisierung der grundlegenden Annahmen der Prinzipal-Agenten-Theorie (eigene Darstellung).

Darauffolgend erläutern wir grundlegende Variablen, die für die Berechnung optimaler Verträge und somit für die letztliche Lernzielerreichung nötig sind. Neben einer verbalen Erläuterung nutzen wir zur Kommunikation dieser Aspekte unsere semesterbegleitenden Veranstaltungsunterlagen. Auf diese Weise adressieren wir zunächst die Lernziele Wissen und Verständnis und schaffen somit eine hinreichende Basis für die letztliche Berechnung optimaler Verträge (Anwendung). 

Erst dann wenden Studierende diese Kenntnisse gezielt an. Dazu stellen wir ihnen konkrete Anwendungsaufgaben zur Verfügung, die sie im Rahmen der Veranstaltungen eigenständig lösen. Da das Lernziel in der Anwendung besteht, schaffen wir in unseren Veranstaltungen auch entsprechende (zeitliche) Räume für die Studierenden, um anwenden zu können. Hierbei setzen sich die Studierenden zunächst mit „einfacheren“ Vertragskonstellationen auseinander.

Daraufhin nimmt die Komplexität der Anwendungsaufgaben sukzessive zu. Dabei greifen wir im Veranstaltungsverlauf stets die anfänglich vermittelten Grundannahmen auf, um den Studierenden eine Orientierungshilfe zu bieten.

 

Abbildung 4: Auszug aus den Veranstaltungsunterlagen des Moduls Personalökonomik I (eigene Darstellung).

Abbildung 4 zeigt dazu ein konkretes Beispiel aus unserer Lehrpraxis. Zu Beginn der Veranstaltung besteht eine grundlegende Annahme beispielsweise darin, dass es lediglich einen Agenten gibt, der einen Vergütungsvertrag  der Form  erhält (siehe Pfeil „bisher“). Im Verlauf der Veranstaltung wird diese Annahme jedoch erweitert/modifiziert. Wir betrachten nun die relative Leistungsbewertung, in der zwei Agenten auf Basis eines Leistungsvergleichs vergütet werden, was im entsprechenden Vergütungsvertrag berücksichtigt werden muss (siehe Pfeil „jetzt“).

Eine Modifizierung der grundlegenden Annahmen macht das erneute Adressieren der Lernziele des Wissens und des Verständnisses erforderlich. Wir schaffen eine (modifizierte) Basis, auf der die Studierenden dann komplexere Anwendungsaufgaben berechnen können. Der (visualisierte) Rückbezug auf die vermittelten Grundlagen dient somit der Wiederholung und unterstützt die Studierenden beim Verständnis der (neuen) Zusammenhänge.

Tipp 1: Definieren Sie konkrete Lernziele und kommunizieren Sie diese bereits zu Beginn der Veranstaltung. Wir kommunizieren diese bereits im Foliensatz der ersten Lehrveranstaltung, um von Beginn an eine Transparenz zu schaffen. Darüber hinaus können Sie diese zusätzlich auf der Moodle-Kurs-Startseite sichtbar machen. Wiederholen Sie die Lernziele im Verlauf Ihrer Lehrveranstaltung beispielsweise durch ein erneutes Aufzeigen der Lernziel-Folie und zeigen Sie den Studierenden transparent die Zusammenhänge mit den jeweiligen Lehr-/Lernaktivitäten auf. Reflektieren Sie gemeinsam mit Ihren Studierenden, wie die jeweiligen Aktivitäten zur Erreichung des jeweiligen Lernziels beitragen. Auf diese Weise wird den Studierenden auch der individuelle Lernstand und -fortschritt aufgezeigt.

Tipp 2: Das One-Minute Paper (Stead 2005) bietet eine Möglichkeit, die Studierenden am Ende einer jeden Lehrveranstaltung zur Reflexion der eigenen Lernzielerreichung anzuregen. Dabei schreiben sie kurz und prägnant die eigene Lernerfahrung der Veranstaltung nieder. Die Ergebnisse können Sie dann im Plenum oder individuell mit den Studierenden besprechen (Stead 2005). Aufgrund der hohen Teilnehmendenzahl nutzen wir in unseren Veranstaltungen primär die Besprechung im Plenum. Die Studierenden werden auf diese Weise aktiviert und deren Reflexion des eigenen Lernstandes wird initiiert.

Autor*innen

  • Deborah Maffia, (M.Sc.), Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Arbeitsschwerpunkte: Bildungsökonomik, Verhaltensökonomik.
  • Melissa Kistner, (M.Sc.), Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Arbeitsschwerpunkte: Bildungsökonomik, Verhaltensökonomik.

Stand: