Persönliche Tipps und Good-Practice-Beispiele

In den folgenden Abschnitten beschreibe ich jeweils kurz eine Lehrkonzept oder eine Idee, die ich selbst an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg ausprobiert habe und die ich guten Gewissens und mit positiven Erfahrungen, auch aus Studierendensicht, weiterempfehlen kann.

Personalisierbare Aufgaben und anonymer Peer Review

Bei diesem formativen (also semesterbegleitenden) Assessmentformat bekommen alle Studierenden eine individuelle Aufgabe per E-Mail zugeschickt, können diese lösen und ihre Lösung über das Moodle zur Korrektur einreichen. Um den Korrekturaufwand für die Lehrenden zu senken, begutachten sich die Studierenden dann anhand einer ebenfalls personalisierten Musterlösung gegenseitig. Das ganze Verfahren läuft automatisiert ab und ist dadurch gut skalierbar. Gegenüber einfachen Multiple-Choice- oder Zahlenwert-und-Einheit-Aufgaben lassen sich hier auch der Rechenweg und Ansatz gut bewerten. Es gibt auch ein Video [Mag19a], ist dem ich das Verfahren in fünf Minuten erkläre.

Aktivierung von Großgruppen mit Audience Response und Peer Instruction

Um eine große Kohorte von Studierenden in einem synchronen Lehrveranstaltungsformat wie einer Vorlesung oder einem Plenum zu aktivieren und zum Mitdenken anzuregen, nutze ich gern sogenanntes „Audience Response“, siehe auch [Mag17]. Dabei stelle ich eine Single-Choice- oder Multiple-Choice-Frage, welche die Studierenden dann per Smartphone beantworten sollen. Zur Umsetzung gibt es sehr viele verschiedene technische Möglichkeiten und Plattformen, die sich im Funktionsumfang, der Gestaltung, der einfachen Bedienbarkeit und auch Datenschutzaspekten unterscheiden. Als Lehrperson bekommt man so ein sehr gutes Gefühl, welche Inhalte und Konzepte von den Studierenden bereits gut verstanden wurden bzw. bei welchen es sich lohnt, noch mal etwas Zeit in eine weiterführende Erklärung zu investieren.

Ergänzt werden kann diese Methode durch sogenannte „Peer Instruction“ nach [Maz17]. Dabei löst man eine vom überwiegenden Teil der Studierenden falsch beantwortete Frage als Lehrperson nicht direkt auf, sondern bittet die Studierenden im Lehrveranstaltungsraum mit ihren jeweiligen Sitznachbar*innen über die Frage und ihre jeweiligen Antwort zu diskutieren. Die Studierenden, die im Idealfall unterschiedlicher Meinung über die richtige Antwort waren, sollen dabei argumentieren, warum sie ihre eigene Antwort für richtig und die jeweils andere für falsch halten. Nach einer kurzen Diskussionszeit von wenigen Minuten lässt man die Studierenden noch mal abstimmen und erhält meist ein deutlich besseres Resultat.

Grafisches Audience Response mittels „Wall“

Bei dieser Methode, die sich ebenfalls zur synchronen Aktivierung von großen Gruppen eignet, können alle Studierenden gemeinsam per Smartphone oder Tablet-PC auf die Projektionswand zeichnen und so grafisch Aufgaben bearbeiten, deren Lösung wir dann im Plenum diskutieren können [LM19]. Gegenüber klassischen Multiple-Choice-Fragen muss sich die Lehrperson die „falschen“ Antworten nicht ausdenken. Neben vielen richtigen Lösungen offenbaren die Studierenden nämlich auch typische Fehlverständnisse und Misskonzepte, die dann durch weitere Erklärungen aufgelöst und geklärt werden können.

Tägliches „dailyGETquiz“ bei Instagram

Um die vielen entwickelten Audience-Response-Quizfragen zu den „Grundlagen der Elektrotechnik“ auch asynchron nutzen zu können, habe ich diese alle im Moodle-Kurs unserer Lehrveranstaltung hinterlegt. Dort hat sich aber leider kaum ein*e Student*in damit beschäftigt, was auch an der umständlichen Bedienung der Plattform liegt. Deshalb betreibe ich seit Oktober 2020 einen Instagram-Kanal namens dailyGETquiz, auf dem ich täglich in den Stories ein öffentlich einsehbares Single-Choice-Quiz zu den „Grundlagen der Elektrotechnik“ (GET) poste und die Lösung in einer weiteren Story Slide kurz und allgemeinverständlich erkläre. Dem Charakter von Instagram entsprechend, gestaltete ich die Quiz- und Antwort-Slides mit passenden Fotos, Videos oder Grafiken. Vorteilhaft an dieser Plattform ist, dass die Quizze dort auftauchen, wo viele der Studierenden sowieso digital unterwegs sind.

Anwendung des Flipped Classroom für die Lehrveranstaltung „Analyse und Berechnung elektromechanischer Strukturen“

Die Idee des Flipped oder Inverted Classroom ist die Verlagerung der „Vorlesung“ bzw. der Phase der Wissensvermittlung zu den Studierenden nach Hause. Diese bereiten sich dann mit entsprechenden Erklärvideos zu den Vorlesungsinhalten und anderen Selbstlernmaterialien wie Skripten oder Büchern auf die Präsenzzeit an der Universität vor. Diese kostbare Präsenzphase kann dann für hochwertige und interaktivere Aktivitäten wie die Vertiefung der Inhalte, die Lösung von komplexeren Aufgaben, die Besprechung von anwendungsnahen Problemstellungen, etc. genutzt werden.

„Umgedrehte“ Video-Nachbesprechung einer Leistungskontrolle im E-Technik-Grundstudium

In Sinne des bereits im vorherigen Abschnitt beschriebenen Flipped Classrooms wurde die Nachbesprechung einer Zulassungsklausur bzw. einer schriftlichen Prüfung aufgezeichnet und den Studierenden als Video zur Verfügung gestellt [Mag19c]. Die Herausforderung dabei ist, die Antworten hinreichend genau zu erklären, ohne den Inhalt der Aufgaben direkt zu verraten, damit durch die Videos kein frei verfügbarer Aufgabenkatalog von Klausuraufgaben entsteht. Vorteilhaft ist, dass man wiederum kostbare Zeit für frontale Erklärungen in der Präsenzphase spart, die Videos zeitnah nach einer Prüfung zur Verfügung stellen kann, die Studierenden sich die Videos individuell je nach Bedürfnis (auch mehrfach) anschauen können und anschließend viel besser vorbereitet an einer eventuellen Klausur- oder Prüfungseinsicht teilnehmen.

QR-Code-Papier zum automatischen Korrekturversand

Um den Studierenden eine schnellere Rückmeldung nach einer schriftlichen Prüfung zu ermöglichen, habe ich eine Klausurpapiervorlage entwickelt, die sich automatisiert erstellen und per E-Mail verschicken lässt [Mag18c]. Das Papier enthält am oberen Rand einen QR-Code mit der E-Mail-Adresse des jeweiligen Studierenden. Die Studierenden schreiben nun im Rahmen einer Prüfung handschriftlich ihre Lösung auf das Papier. Die Lösung wird danach ebenso handschriftlich kontrolliert. Dann werden die Papiere eingescannt, die E-Mail-Adressen extrahiert und die Korrektur per E-Mail an die*den jeweilige*n Student*in zurückgeschickt. So müssen die Studierenden nicht auf auf einen Termin zur Prüfungseinsicht warten, um ein Feedback zu ihrer Lösung zu bekommen.

HAITI-Methode

Wir setzen diese Methode, die auch als „Think! Pair! Share!“ oder „Ich-Du-Wir“ bekannt ist, in den Übungen zur Lehrveranstaltung „Grundlagen der Elektrotechnik“ ein. Ziel ist die Bildung von Lerngruppen und die bessere Vorbereitung der Studierenden vor den Übungsterminen. Die Abkürzung HAITI steht dabei für Hausaufgaben, die zunächst allein und dann im Team bearbeitet und deren verbleibende Unklarheiten schließlich wieder im Hörsaal oder Seminarraum besprochen werden [JUKH13]. Mit der Methode soll die Bildung von festen studentischen Lerngruppen optimiert und die Selbstlernphase der Studierenden zur Vorbereitung auf Rechenübungen verbessert werden.

Gruppenphase bei Zulassungsklausuren in den „Grundlagen der Elektrotechnik“

Um in schriftlichen Prüfungen nicht nur den individuellen Wissensstand und die zugehörigen Kompetenzen abzufragen, ergänzen wir diese zum Teil durch eine Gruppenphase, in der auch die technische Kommunikations- und Diskussionsfähigkeit der Studierenden geprüft wird [Mag18b]. Dazu werden die Studierenden nach der Individualphase der Prüfung oder Leistungskontrolle und einer kurzen Verschnaufpause gebeten, sich in einer Gruppe von drei bis vier Personen zusammenzufinden, die im Idealfall der Lerngruppe entspricht. Die Studierenden bekommen dann ein weiteres Aufgabenblatt mit Aufgaben, die so gestaltet sind, dass sich diese relativ einfach korrigieren lassen (z. B. als MC-Fragen, als Zuordnungsaufgaben, als Wahr-oder-Falsch-Aufgaben, als Sortieraufgaben etc.). Diese Aufgaben dürfen und sollen die Studierenden dann als Gruppe bearbeiten und lösen. Entscheidend dabei ist, dass jede Gruppe nur ein Lösungsblatt bekommt, die Studierenden jeder Gruppe sich also auf eine gemeinsame Lösung einigen müssen.

Twitter Challenge zu den Grundlagen der Elektrotechnik

Zur Aktivierung der Studierenden in der semesterfreien Zeit haben wir schon mehrfach eine Art „Elektrotechnik-Olympiade“ über das soziale Netzwerk X (vormals Twitter) durchgeführt [Mag18d]. Teilnahmeberechtigt waren dabei alle Studierenden der Fakultät, die noch nicht die Prüfung in den „Grundlagen der Elektrotechnik“ bestanden haben. Wir stellten die Fragen öffentlich, die Studierenden antworten ebenso öffentlich durch einen Kommentar oder „Retweet“. Die Aufgaben waren dabei meist recht kniffelig oder nur mit kreativen Ansätzen, und nicht ganz offensichtlich und trivial zu lösen. Zur Motivation gab es kleine Sachpreise, die von Firmen gesponsert wurden.

Projektseminar Elektrotechnik/Informationstechnik

Ein weiteres schönes Beispiel für eine „digital erweiterte Projektlehre“ ist unser Projektseminar Elektrotechnik/Informationstechnik an der Otto-von-Guericke-Universität (OVGU) in Magdeburg, das umgangssprachlich als LEGO-Praktikum bekannt ist und jährlich am Ende des Wintersemesters stattfindet. Studierende sollen das Programmieren in MATLAB lernen und bekommen dazu als Vehikel einen LEGO-Kasten mit programmierbaren Motoren und Sensoren. In kleinen Gruppen konzipieren, entwickeln, bauen und programmieren die Studierenden dann Roboter oder Maschinen, die irgendeine mehr oder weniger sinnvolle Aufgabe erledigen [MS23]. Der gruppenübergreifende Austausch darüber erfolgt über pseudonyme Accounts in den sozialen Medien (meist Instagram) und macht die studentischen Ergebnisse damit auch für einen größeren Kreis sichtbar. Studierende entwickeln im Seminar außerfachliche Kompetenzen wie Zeit- und Projektmanagement. Sie üben außerdem in Kick-Off-, Zwischen- und Abschlusspräsentationen das Darstellen und Verteidigen der eigenen Ergebnisse vor einer größeren Gruppe. Die Abschlusspräsentationen werden als Live-Stream im Internet übertragen sowie als Aufzeichnung bei YouTube veröffentlicht, und sind somit auch für Außenstehende wie Freunde und Familienmitglieder sichtbar. Am Ende des LEGO-Praktikums entwickeln die Studierenden auch erste Kompetenzen im wissenschaftlichen Schreiben, weil sie die zentralen Ergebnisse ihres Projekt als kurze drei- bis vierseitige Paper festhalten, die über das Open-Journal-System der OVGU veröffentlicht werden [MSG18].

Prüfungsaufgaben-Brainstorming

Auch eine gute Tradition am Ende der zweisemestrigen Lehrveranstaltung „Grundlagen der Elektrotechnik“ ist ein munteres Prüfungsaufgaben-Brainstorming. Die Studierenden im Hörsaal finden sich dabei in kleinen Gruppen zusammen, denken sich jeweils eine Prüfungsaufgabe aus und erstellen die dazu passende Musterlösung. Dann stellt jede Gruppe ihre entwickelte Aufgabe und die Lösung als kurzen Pitch im Plenum vor. Natürlich darf es die Aufgabe so oder so ähnlich noch nicht im Übungsheft geben. Außerdem sollte die Aufgabe ungefähr zehn einzeln bewertbare Herleitungs-, Umformungs- oder Rechenschritte beinhalten, die nicht immer wieder die gleichen sein sollten. Schaffen es die Studierenden insgesamt eine gewisse Menge (je nach Anzahl der Studierenden und möglichen Kleingruppen) solcher Aufgaben zu erzeugen, ist dann eine der Aufgaben auch ein Teil der Prüfung. Zum Sammeln der (Zwischen-)Ergebnisse über die Grenzen der Kleingruppen hinweg, lege ich z. B. ein Padlet als Online-Pinnwand an. Beim Entwickeln von passenden Prüfungsaufgaben schulen die Studierenden relativ „hohe“ Bloom-Kompetenzen wie Analysieren, Synthetisieren und Evaluieren. Außerdem wächst natürlich der Katalog möglicher Prüfungsaufgaben für die Zusammenstellung randomisierter Prüfungsbögen.