Praktische Hinweise

Wenn Sie sich dafür entscheiden, unsere Vorschläge zur Auflockerung von Vorlesungen und zur stärkeren Strukturierung der Vorbereitungsphase selbst auszuprobieren, werden Sie sich vermutlich die Frage stellen, wie Sie so damit beginnen können, dass sich der Aufwand für diese Umstellung in einem angemessenen Rahmen bewegt.

Nutzen von bereits vorhandenen Materialien: Dabei wird es einen Unterschied machen, ob Sie eine bereits etablierte Veranstaltung (teilweise) „umstellen“ möchten oder direkt eine neue Veranstaltung konzipieren. Im ersten Fall haben Sie wahrscheinlich bereits Materialien und können diese einerseits in Unterlagen für die Vorbereitungsphase und für die Präsenzphase unterteilen und sich andererseits direkt geeignete Ergänzungen wie Quizfragen, zusätzliche Beispiele oder weitergehende Vertiefungen notieren. Vielleicht haben Sie die Veranstaltung schon einmal gehalten und besitzen noch Notizen, bei welchen Inhalten besondere Schwierigkeiten auftraten, die Sie gezielt mit einem neuen Veranstaltungsformat adressieren könnten? Bei der Neukonzeption einer Veranstaltung ist die Materialerstellung natürlich ein erheblicher Aufwand, den Sie aber ohnehin aufbringen müssen. Sie haben aber den Vorteil, dass Sie von Beginn an die Länge einzelner Abschnitte genau auf den Modus der Veranstaltung anpassen und die ergänzenden Elemente gleich „mitdenken“ können. Kennen Sie jemanden, der eine Veranstaltung dieser Art bereits gehalten hat? Vielleicht können Sie Erfahrungswerte über Schwierigkeiten der Studierenden auf diesem Wege erhalten und nutzen.

Niveau der Quizfragen: Achten Sie darauf, dass die Quizfragen nicht zu schwierig gewählt werden. Formulieren Sie sie so, dass ein Großteil der Teilnehmer*innen, die das Vorbereitungsmaterial durchgearbeitet haben, richtig antwortet, ansonsten stellen Sie indirekt die Sinnhaftigkeit dieser Vorbereitung in Frage. Die Quizfragen sollten eher kurz sein. Längere Rechnungen sollten Sie vermeiden genauso wie die Kombination von zwei Konzepten, wenn das nicht explizit Kern der Problemstellung ist. Für komplexere und aufwändigere Aufgaben eignet sich die Nachbereitung in der Regel besser.  

Teilen von Material: Für die reine Inhaltsvermittlung existieren viele Lehrmaterialien wie Skripte, Bücher und Lernvideos, insbesondere mit offenen Lizenzen oder als OER (Open Educational Ressource). Für Aktivitäten und Quizfragen werden Sie bereits ausgearbeitete Materialien seltener finden. Erst in jüngerer Zeit erscheinen Lehrbücher, die Kontroll- und Diskussionsfragen enthalten. Daher wäre ein Austausch unter Lehrenden gerade für Grundlagenveranstaltungen, die in ähnlicher Form an vielen Hochschulen stattfinden, eine Möglichkeit, um die Entwicklung von Materialien voranzutreiben.

Funktionalitäten von Learning Management Systemen (LMS): Bei der praktischen Implementierung können Sie die Möglichkeiten des LMS (Moodle, Ilias, etc.) Ihrer Hochschule nutzen. Hier können Studierende üblicherweise Quizze bearbeiten, Dateien hochladen, offene Fragen formulieren oder an Diskussionsforen teilnehmen. Für mathematische Aufgaben haben sich dabei Quizfragen mit STACK als sehr geeignet erwiesen. Bei Fragen der Studierenden sollten Sie darauf achten, dass der Rückmeldekanal für Sie als Lehrende effektiv zu bearbeiten ist. Insbesondere ist es hilfreich, wenn sich alle Fragen zu einem Thema in eine einzelne Datei exportieren lassen und nicht einzeln aufgerufen werden müssen. So erhalten Sie schnell einen Überblick, welche Fragen besonders häufig auftreten. Das Aufgabenformat „Freitextaufgabe“ ermöglicht Ihnen einen Export als eine Tabelle mit allen Antworten.

Anreizsysteme: Vor Beginn der Veranstaltung müssen Sie sich auch Gedanken über die Bewertung einzelner Aktivitäten machen. Aus unserer Erfahrung ist ein Bonuspunktesystem zumindest hilfreich, wenn nicht sogar notwendig für das Gelingen. Unabhängig von intrinsischer und extrinsischer Motivation sind Studierende immer Anforderungen aus verschiedenen Lehrveranstaltungen ausgesetzt und entscheiden oft nach rationalen Gründen, wo sie ihre Zeit investieren. Um kontinuierliche Mitarbeit der Studierenden zu erreichen, kommen Sie nicht an der Vorgabe von Zwischenfristen vorbei. Insbesondere wenn Sie zunächst nur einen Teil Ihrer Veranstaltung durch aktive Elemente und Vorbereitungsphasen ergänzen, sollten Sie daran denken, diese Elemente auch bei Bonuspunkten, Studienvorleistungen, etc. zu berücksichtigen. Falls die für Sie zugrundeliegende Prüfungsordnung kein Bonussystem für die Prüfung erlaubt, so können Sie dennoch Kriterien formulieren, die zum Abschluss des Moduls notwendig sind. Auch für die Erfüllung dieser Kriterien werden Ihre Studierenden gerne Angebote annehmen, die es ihnen erleichtern, diese Kriterien zu erfüllen. Ein Anreiz könnte sein, dass die regelmäßige Mitarbeit mit einem virtuellen Guthaben (Gamification-Plugins im LMS) honoriert wird, das bei Bedarf für Fristverlängerungen, erneute Versuche bei digitalen Tests oder erweiterte Hinweise zum Lehrmaterial eingesetzt werden kann.

Autor*innen

  • Dr. Eva Glasmachers, Fakultät für Mathematik der Ruhr-Universität Bochum. Arbeitsschwerpunkte: Geschäftsführung des Dekanats, Studienfachberatung, Lehre und mehrere didaktische Projekte. Mitglied des HDM@RUB - Zentrum für Hochschuldidaktik Mathematik.
  • Dr. Jörg Härterich, Fakultät für Mathematik der Ruhr-Universität Bochum. Oberstudienrat im Hochschuldienst. Arbeitsschwerpunkte: Lehre für Studierende anderer Fakultäten, Schulung von Übungsgruppenleiter*innen und die Tätigkeit in verschiedenen Gremien der Ruhr-Universität. Mitglied des HDM@RUB - Zentrum für Hochschuldidaktik Mathematik. Preisträger des Ars legendi-Fakultätenpreises Mathematik 2025 des Stifterverbands.

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