Besonderheiten des Fachs

Die Sportwissenschaft ist eine vergleichweise junge Wissenschaftsdisziplin. Ein Blick in die Geschichte der Leibeserziehung und der Pädagogik der Körperkultur zeigt jedoch, dass dieses neue Fach bereits vor 100 Jahren Einzug in die Forschungslandschaft hielt (Gissel, 2024). Dabei sah und sieht sich die Sportwissenschaft als multidisziplinäre Wissenschaft „inhaltlich und methodisch v.a. ihren Mutterwissenschaften“ (S. 6) verpflichtet. Die Diskussion darüber, was denn eigentlich der Kern unseres Faches ist, reißt bis heute nicht ab. So kontrovers sie auch immer wieder geführt wird, nimmt sie dennoch einvernehmlich den Menschen mit seiner Körper- und Leiblichkeit im Kontext von Sport und Bewegung als gesellschaftlichem Phänomen und Kulturgut in den Blick. Als Querschnitts-, multidisziplinäre oder integrative Wissenschaft bestimmen neben verschiedenen Bezugspunkten (z.B. der Mutterwissenschaften Pädagogik, Geschichte, Psychologie, Soziologie, Medizin, Neurowissenschaft und Wirtschaftwissenschaft) die fachwissenschaftlichen Perspektiven auf den Sport und die Bewegung des Menschen die Sportwissenschaft: Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers und körperlicher Bewegung, Sportmedizin, Bewegungs- und Trainingswissenschaft, Sportpsychologie, Sport in Geschichte, Gesellschaft und Wirtschaft, Körperbildung und Sportpädagogik sowie Sportdidaktik (Güllich & Krüger, 2022; Burk & Fahrner 2020). Für den hochschuldidaktischen Kontext und das universitäre Lehren, Lernen und Unterrichten im Feld von Sport und Bewegung impliziert dies folgende wesentliche fachspezifische Besonderheiten:

  • Wissen und Können entfalten sich gemeinsam und nicht nur als zwei getrennte Seiten einer Medaille. Über das forschende Lernen und eine reflexive Praxis von Bewegung, Spiel und Sport entwickeln sich begeisterte Sportler*innen zu kompetenten Sportwissenschaftler*innen.
  • Eine starke Theorie-Praxis-Verzahnung bildet die Basis für eine perspektivreiche Lehre. Grundlagen bilden und anwenden können sind zusammenwirkende Zielsetzungen für einen fundierten Wissenstransfer der Sportwissenschaft in unterschiedliche gesellschaftliche Handlungsfelder von Sport und Bewegung.
  • Exemplarisch lernen und Strukturen erfassen ist notwendig, um aus der Vielzahl an stofflichen Inhalten, Bezugsquellen und Informationen Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden und Strukturen und Zusammenhänge erkennen zu können. Dabei hilft die didaktische Reduktion.
  • Methodenvielfalt im Lehr-Lern-Prozess ergibt sich aus der Vielfalt der (fach)wissenschaftlichen Perspektiven auf Sport und Bewegung. Sie ermöglicht den Studierenden, einen reichhaltigen Methodenkoffer zu packen, um diesen variabel einzusetzen. Fragen stellen, kollaborativ, diskursiv und situativ arbeiten heißt zugleich individuelle, heterogene Voraussetzungen der Studierenden berücksichtigen sowie persönliche Stärken im Team und Know-How aus der Situation entwickeln. Verunsichern und Improvisieren erweisen sich dabei als zielführende Methoden.
  • Wissenschaftliches Schreiben ist in der Sportwissenschaft eine selbstverständlich und wesentlich zu erwerbende Kompetenz. Die Nutzung textgenerierender Künstlicher Intelligenz kann in diesen Kompetenzerwerb eingebaut werden, ihn aber nicht abkürzen.
  • Wissen und Können sind in der Sportwissenschaft vielfältig und greifen ineinander, so dass auch deren Bewertung und Leistungsbeurteilung, Rückmeldungen und Prüfungsformate unterschiedlich gestaltet und als Lerngelegenheit erfahren werden können.
  • Als Lehrpersonen sind wir in unserem Sosein, im Sport insbesondere mit unserer Körperlichkeit, immer im Fokus der Studierenden. Mein Tipp für eine gute und agile fachdidaktische Lehre in der Sportwissenschaft in stetig sich wandelden Zeiten: Seien Sie authentisch und bleiben Sie in Bewegung!