Was sind didaktische Besonderheiten der Theologie?

Mir ist es wichtig, Theologie zunächst einmal gar nicht als besonderes Fach zu sehen – zumindest solange das Allgemeine nicht gesehen wurde. Als Fach einer öffentlichen Universität kann die Theologie nicht grundsätzlich anders agieren als andere Fächer. Das zeigt sich dann auch in den Praktiken in Forschung und Lehre und bei der Berufsorientierung. An vielen Standorten gibt es nicht kirchlich gebundene Bachelor- und Masterstudiengänge, häufig in Kombination mit weiteren Fächern. Theolog*innen finden sich mit ihrem breiten Profil an fachlichen und methodischen Zugängen in der Arbeitswelt in einer Breite, wie sie für geisteswissenschaftliche Absolvent*innen typisch ist: im Verlagswesen und Journalismus, in Unternehmensberatung und Investmentbanking, in der Wissenschaft und Erwachsenenbildung, in Museen und kulturellen Einrichtungen und vielen anderen.

Im Schwerpunkt bilden wir an den theologischen Standorten aber das pastorale Personal der Religionsgemeinschaften (Priester/Pfarrer*innen, Pastoralreferent*innen u.a. studieren den Studiengang Magister/Magistra Theologiae) aus, sowie in weit größerer Zahl angehende Lehrer*innen für den staatlich organisierten und konfessionell durchgeführten Religionsunterricht. Die wesentliche Arbeitgeberin von Absolvent*innen der katholischen theologischen Studiengänge – die römisch-katholische Kirche – ist somit eng an der Ausgestaltung der Studienbedingungen beteiligt, auch mit weiteren studienbegleitenden, verpflichtenden Ausbildungsveranstaltungen und Mentoraten. Diese Verbindung von staatlicher Institution mit konfessioneller Theologie ist eine weltweite Besonderheit, die sich für Deutschland mit dem kooperierenden Verhältnis von Staat und Kirche begründen lässt. Meinen Lehrkontext bilden damit die staatlichen Rahmenbedingungen und Bildungsstandards, und die kirchlichen Anforderungen an die Studiengänge, in denen pastorales Personal und Religionslehrer*innen ausgebildet werden. Ebenso entscheiden kirchliche Autoritäten über die Besetzung von Professuren mit. Über eine eigene Akkreditierungsagentur werden die Studiengänge für kirchliche Berufsgruppen begleitet; für die Ausbildung der Religionslehrer*innen gibt es eigene konfessionelle Anforderungen. Insofern bin ich als Lehrender an der Universität immer auch mit dem System „Kirche“ verbunden.

Die Verknüpfung von Theologie und Kirche hat auch konkrete organisatorische Auswirkungen auf meine Lehre. In Folge sinkender Mitgliedschaftszahlen in den Kirchen studieren auch weniger Menschen Theologie an Universitäten. Was in Auslastungsquoten abgebildet wie ein Mangel aussieht, führt zu kleinen Studiengruppen und der Möglichkeit, individuelle Lernprozesse eng zu begleiten. Einher gehen damit die Anforderung an Lehrende, Lehrroutinen zu durchbrechen und sich neu auf Studierende einzulassen. Damit sind die Chancen, mit wenigen Studierenden gute Lehre zu gestalten, höher.

Mir ermöglicht das auch eher, zu den Tiefendimensionen vorzudringen, die theologische Lehre erschließen kann. Die Inhalte der Theologie betreffen in Forschung und Lehre mindestens hintergründig existenzielle Themen wie die Fragen nach Leben und Tod, Herkunft und Zukunft, Identität und Abgrenzung. Das mahnt mich gleichzeitig zur Vorsicht: Die Gegenstände meiner Lehre treffen immer potenziell auf existenziell davon betroffene Lernende. Das erfordert Sensibilität im Umgang mit diesen Themen, ohne dass diese vermieden werden könnten. Der Umgang mit existenziellen Erfahrungen erschließt schließlich die religiöse Tradition, die etwa in Texten des Alten Testaments überliefert wird, sowie das gegenwärtige religiöse Handeln, dem solche Erfahrungen ebenfalls zugrundliegen.

Wenn ich mich dabei frage, was angemessen ist, was ich will und was die Studierenden brauchen, dann profitiere ich davon, dass ich als Theologe mit meinen eigenen Methoden mein Lehrhandeln begründen kann. Insofern Grundüberzeugungen davon, was der Mensch ist und wie die Welt sein soll, für Lehrende hintergründig leitend sind und sich in didaktischer Reflexion in educational beliefs übersetzen lassen, können Theolog*innen hierzu auf ihre eigenen Methoden und Gegenstände zurückgreifen. Das gilt nicht nur für die oben angesprochenen existenziellen menschlichen Erfahrungen. So lässt sich etwa ein Bildungsauftrag aus der theologischen Anthropologie ableiten, der den Getauften die Aufgabe gibt, allen Menschen Bildung zu ermöglichen, um als autonome Subjekte diese Welt gestalten zu können.