Wie werden diese Kompetenzen in der Lehre adressiert und geprüft?
Wie die Methodik der Theologie ist auch die Lehre in ihren Formen und Praktiken nicht spezifisch, sondern ähnelt den Geisteswissenschaften. In den Studienordnungen dominieren klar Vorlesungen und Seminare das Lehrgeschehen, vereinzelt finden sich Übungen und Tutorien. Zu allen Studiengängen gehören Praktika hinzu, mitunter sind auch Veranstaltungen anderer universitärer Fächer zu belegen.
Gerade die Vorlesung verliert angesichts der kleineren Gruppen immer mehr ihre Berechtigung. Effizient, auch im Hinblick auf die Learning Outcomes, erlebe ich Seminare, in denen Studierenden kontinuierlich an einer Problemstellung oder einem Produkt arbeiten können. Das kann sich in eine klassische Seminararbeit übersetzen, die sich im Seminarverlauf immer weiter als Forschungsprozess entfaltet, das können aber auch Portfolios sein, die sich im Semesterverlauf füllen. Zentral für die Formate ist die Möglichkeit individuellen Feedbacks durch Dozierende und Peers, die prozesshafte Entwicklung und die Freude, gemeinsame Lernerlebnisse zu teilen. Kleine Gruppen erlebe ich in dieser Perspektive als Vorteil, der Theologie zu einer hohen Lehrqualität verhelfen kann – an privaten Hochschulen zahlt man viel Geld, um in solchen Betreuungsverhältnissen lernen zu dürfen.
Auch bei den Lehrformen sehe ich in der Theologie aber die gleiche Spannung von Theorie und Praxis, die auch den sonstigen Lehrpraktiken der Universität innewohnt. Die Rahmenvorgaben von Räumen, Zeiten und Medien sowie die Studienordnungen sind so stabil und wirkmächtig, dass die Suche nach guter Didaktik sich auch immer diesen Rahmenbedingungen erwehren muss. Selten sind Lerneinheiten in 90 Minuten sinnvoll abzuschließen und manche Räume sperren sich gegen Interaktionen unter Studierenden. Die Routinen einer Universität sind stabil, sodass Dozierende in die Input- und Studierende in die Zuschauendenrolle leichter zurückfallen, als dass sie dort herauszuholen sind. Manche festgeschriebene Prüfungsform müssen aktiv unterlaufen werden, um hochwertige Lernprozesse damit zu steuern, sodass bspw. Klausuraufgaben schon zu Beginn des Semesters bekannt sind. Die zuvor beschriebenen Kompetenzen erlauben mir aber eine Vision davon, was in der Lehre möglich wäre und motivieren mich, neue Handlungsmöglichkeiten zu suchen. In diese Vision gehören Elemente des formativen Feedbacks, des problemorientierten Lernens und der kollaborativen Projektarbeit hinein, die sich schon jetzt in der Lehre umsetzen lassen.
Weil Prüfungen abbilden, was gelernt werden soll, setzt sich diese Spannung auch in den Prüfungsformen durch. Typischerweise zeigen die Studierenden in unserem Fach die erworbenen Kompetenzen in mündlichen und schriftlichen Prüfungsformaten, die weitestgehend klassische Einzelprüfungen oder Klausuren sind. Vereinzelt sind auch Disputationen und Kolloquien vorgesehen. Gerade die eigene Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten wird in Hausarbeiten, die in der Regel auf Seminare folgen, geprüft.
Die höchste Form des eigenständigen Arbeitens zeigen Studierende in den schriftlichen Abschlussarbeiten, in denen Sie in der Regel eine eigens entwickelte Fragestellung selbstständig auf 50 (Bachelorarbeit) bis 80 (Master- bzw. Magisterarbeit) Seiten erarbeiten. Analog zur Wissenschaftspraxis, die stark an der Monographie oder dem Aufsatz eines*r Autor*in orientiert ist, werden diese Produkte einzeln erarbeitet. Dementsprechend relevant sind die im Studium erworbenen Schreibkompetenzen, aber auch die Fähigkeit zur Selbstorganisation und Prozessplanung. Leider werden diese oft implizit vorausgesetzt, aber auch hier verbreiten sich Einsichten aus der Schreibdidaktik, sodass begleitende Tutorien oder curricular integrierte Kompetenzmodelle des Schreibens diesen wichtigen Kompetenzerwerb verankern. Ich erlebe, dass hier eine intensive Betreuung sinnvoll ist, um diese Kompetenzanforderungen sichtbar zu machen. Meiner Erfahrung nach kann man Abschlussarbeiten nicht zu viel betreuen, solange die studentische Eigenverantwortung aufrecht erhalten bleibt. Formatives Feedback kann Studierende nicht über das Niveau ihrer Fähigkeiten hinaus begleiten, aber ihnen die Möglichkeit geben, ihr Potential in diesen intensiven Arbeitsprozessen zu entfalten.
Gerade deswegen ist es mir aber wichtig, schon früh im Studium formatives Feedback zur Kompetenzentwicklung zu etablieren. Studienleistung verstehe ich daher als formative Messpunkte in der Entwicklung der Studierenden. Feedback schon im Lernprozess zu geben, erschließt erst die hochtaxonomischen Ebenen und begleitet Studierende beim Kompetenzübersteig. Daher nutze ich die Möglichkeiten in den Studienordnungen um reflexive, kollaborative und prozessorientierte Prüfungsformate wie Portfolios oder reflektierte Praxisprojekte einzusetzen. Diese von benoteten summativen Prüfungen zu trennen kann helfen, Studierenden Perspektiven für ihr Lernen zu eröffnen.