Vertiefung

Was ist Theologie?

Liebe Lehrende, liebe Leser*innen,

gerne würde ich mich Ihnen als Lehrender der katholischen Theologie in drei Aspekten vorstellen und dabei gleichzeitig zeigen, was „Theologie“ als eine Disziplin der Universität sein kann.

Ich lehre alttestamentliche Exegese. Mit Studierenden arbeite ich in der Lehre literaturwissenschaftlich und unter Einsatz kritisch-engagierter Hermeneutiken mit Bibeltexten des Alten Testaments. Gemeinsam suchen wir darin nach Sinnpotentialen, um mit den Texten die Gegenwart zu gestalten. Das ist aber nur eine der vielen Möglichkeiten, Theologie zu betreiben und zu lehren. Theologie ist ein Fach aus Fächern, denn die wissenschaftliche Theologie gliedert sich in mindestens vier abgrenzbare Fachbereiche: Die biblische, die historische, die systematische und die praktische Theologie. Diese Bereiche differenzieren sich weiter aus, sodass an theologischen Fakultäten rund zwölf Professuren ihre Teilgebiete vertreten. Kleinere Standorte mit theologischen Instituten fassen wiederum viele dieser Fachperspektiven in übergeordneten Professuren zusammen.

Aus der Vielfalt der theologischen Fächer leitet sich eine noch höhere methodische Vielfalt ab, die teilweise auch noch innerhalb der Fächer variiert, denn Theologie ist eine Geisteswissenschaft aus Geistes- und Sozialwissenschaften: Wenn ich alttestamentliche Exegese lehre, dann lehre und forsche ich anders als meine Kolleg*innen der anderen theologischen Gebiete – das gilt sogar für solche, die das gleiche Fach lehren. Studierende der Theologie lernen philosophische Reflexion, literaturwissenschaftliche, historische und kulturwissenschaftliche, aber auch empirische Methoden. In nahezu allen Studiengängen sind zudem Sprachkenntnisse in Latein, Griechisch und/oder Hebräisch zu erwerben, sodass auch philologische Methoden eingesetzt werden. Schließlich gibt es interdisziplinäre Schnittstellen zu Naturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften u.a., die die methodische und thematische Breite weiter erhöhen. Dementsprechend fordert die Theologie von Forschenden, Lehrenden und Lernenden einen intensive Reflexion der eingesetzten Methoden. Das „exegetische Methodenseminar“ beispielsweise so etwas wie in Klassiker, der sich an nahezu allen Standorten findet.

Die meisten theologischen Lehr- und Forschungsstandpunkte finden sich im deutschsprachigen Raum an öffentlichen Universitäten. Auch ich lehre als Katholik an einer öffentlichen Universität katholische Theologie. So eine enge Verknüpfung einer außeruniversitären Weltanschauung fällt im Kontext der Universität auf: Theologie ist eine Wissenschaft, die die religiöse Praxis einer je bestimmten Religionsgemeinschaft reflexiv begleitet, indem sie die Vernunftfähigkeit religiöser Überzeugungen und Praktiken reflektiert und sie mit ihren Quellen und der Gegenwart ins kritische Verhältnis setzt. Theologie ist daher anders als etwa Religionswissenschaft und die meisten anderen Wissenschaften explizit perspektivisch. Meiner Erfahrung nach ist das aber kein Argument gegen die Wissenschaftlichkeit der Theologie. Vielmehr ist sie sich Perspektivität jeder Lehre und ihrer Abhängigkeit von Weltanschauungen bewusst und macht diese Prämisse explizit. Wegen dieser Perspektivität gibt es aber „Theologien“ eigentlich nur im Plural. Wenn ich also im Folgenden von Lehre in der Theologie berichte, dann aus der expliziten Perspektive der römisch-katholischen Theologie, was zwar inhaltlich in vielem, aber nicht in allem auf andere Theologien übertragen werden kann.

Was das nun für meine Lehre in der Theologie bedeutet und was ich daraus über theologische Lehre gelernt habe, möchte ich Ihnen auf den weiteren Seiten erläutern.