Wie sieht BNE in der Lehre aus?

BNE fußt entsprechend ihrer Zielsetzungen auf bestimmten Haltungen, die in der Lehre mehr oder weniger sichtbar sein können und sie dennoch tragen. So ist BNE durch Handlungsorientierung sowie Inter- und Transdisziplinarität geprägt, setzt auf inner- und außeruniversitäre Kooperation und arbeitet innovativ und transformativ. Daneben begreift BNE die Transformation zu einer nachhaltigen Welt als Gemeinschaftsaufgabe und zeichnet sich durch gleichberechtigte Beteiligung und Partizipation, im Fall der Hochschule insbesondere von Studierenden, aus. Ebenso gehört das Wahr- und Ernstnehmen von Emotionen und die Auseinandersetzung mit Werten zu BNE dazu. Um dies umzusetzen, muss Lehre transformiert werden: Sie soll Wissen generieren statt reproduzieren, studierenden- statt lehrendenzentriert, reflexiv statt rezeptiv, kollaborativ statt im Wettbewerb, ganzheitlich statt kognitiv fixiert sein sowie verschiedene Zugänge zu Wissen und Erkenntnis anbieten (Bellina u.a. 2020, 43).

Merke

BNE zeigt sich in der Lehre nicht als einzelnes, einheitliches didaktisches Konzept. Vielmehr ist BNE an verschiedene didaktische Prinzipien und Methoden der Hochschullehre anschlussfähig.

 

Bei der Auswahl spielen insbesondere die beschriebenen Haltungen sowie die angestrebten Kompetenzen eine Rolle. Dies sind einige mögliche didaktische Modelle, die je zu unterschiedlichen Bereichen von BNE beitragen:

  • Interdisziplinäres Lernen ist notwendig, um die verschiedenen Herausforderungen für eine nachhaltige Entwicklung in ihrer Komplexität und systemischen Eingebundenheit fassen und bearbeiten zu können.
  • Problemorientiertes Lernen fördert systemisches und strategisches Denken, die für transformative Prozesse notwendig sind.
  • Projektorientiertes Lernen ermöglicht den Aufbau von Handlungs- und Kooperationskompetenzen, die für Transformationen benötigt werden.
  • Challange based Learning oder Service Learning bietet den Lernenden reale Lerngelegenheiten und fördert Selbstwirksamkeitserfahrungen, die gegen Frustration helfen können.
  • Praxisbezüge in der Lehre bieten die Möglichkeit, auf die konkreten zukünftigen Gestaltungsräume der Studierenden einzugehen und diese in die Lehre einzubeziehen.
  • Aktives lernen fördert die Motivation und Involviertheit der Studierenden und unterstützt so die persönliche Auseinandersetzung mit den Inhalten, was gerade für die Selbstkompetenzen relevant ist.
  • Exkursionen und erfahrungsbezogenes Lernen bieten einen Einblick in tatsächliche Praxisprobleme oder -lösungen und schaffen eigene Erfahrungen, zum Beispiel Naturerfahrungen. Diese können die Auseinandersetzungen mit eigenen Werten und Haltungen sowie dem Verhältnis zu Natur und anderen Menschen anregen.
  • Transformatives Lernen beschäftigt sich explizit mit Veränderungen und möchte in mehreren Schritten die Transformation von inneren Haltungen oder auch gesellschaftlichen Werten thematisieren. Näheres gibt es zum Beispiel in diesem 3-Minuten-Podcast.
  • Lernen für Demokratie kann geschehen, indem demokratische Aushandlungsprozesse und Diskussionskultur geübt werden oder Medienkompetenzen (wie Umgang mit Informationsfluten und Falschinformationen) aufgebaut werden. Dazu dienen klassische wissenschaftliche Kompetenzen sowie Methoden, die auf Diskussionen und Aushandlungsprozesse zielen. Einige Beispiele, die zum Teil auch für die Hochschule geeignet sind, finden sich bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Besonders die Methoden in den Bereichen Einsteigen (hier vor allem 03-06), Austauschen und Argumentieren der Methodensammlung können für die Arbeit mit Studierenden genutzt werden.
  • Ethisches Lernen stellt Werte und ethische Fragen in den Fokus. Eine mögliche Methode ist, Diskussionen um diese Fragen an konkreten Dilemmasituationen zu entspinnen.

Mitzudenken ist bei einer Umgestaltung der Lehre, dass diese auch neue Prüfungsformen und Evaluationsformen braucht. Da viele der Lernformen nicht das Ergebnis oder das Wissen, sondern Kompetenzen und den Prozess in den Mittelpunkt stellen, sollten Prüfungen dies miteinbeziehen. So können Präsentationen Praxisergebnisse und die dahinterstehenden Entwicklungsschritte und Lernzuwächse verdeutlichen, Portfolios bieten die Möglichkeit, das Lernen über Prozesse reflektiv zu begleiten und die Kompetenzentwicklung zu beschreiben. Ebenso benötigt es Lehr-Lern-Settings, die auf Selbstkompetenzen, ganzheitliche Erfahrungen und Wertefragen ausgerichtet sind, sowie explizit beurteilungsfreie Räume. Sie können Transparenz und Sicherheit für die Studierenden schaffen, wenn Sie zu Beginn einer Lehrveranstaltung die Ziele und Inhalte erläutern und benennen, welche der Lernziele in welcher Form geprüft werden sollen. Wenn Sie in Ihrer Veranstaltung zum Beispiel ethische Fragestellungen zum Thema diskutieren, können sich Studierende dabei ihrer eigenen Haltung bewusst werden und diese reflektieren. Die persönliche Haltung darf in der Lehrveranstaltung thematisiert werden, wenn klar ist, dass sie nicht inhaltlicher Teil der Prüfung sein wird. In einer Prüfung kann dann die Kompetenz zum begründeten Urteilen die Prüfungsleistung sein, aber nicht die persönliche Haltung der Studierenden. Somit bietet die Lehre einen bewertungsfreien Raum zur persönlichen Entwicklung.

Darüber hinaus verändern sich damit die Rollen von Lehrenden sowie die von ihnen benötigten Kompetenzen. Der Aufbau von normativen Kompetenzen und das ethische Lernen erfordern zum Beispiel, dass Lehrende sich selbst mit ihren Haltungen und Werten auseinandersetzen. Lernen in und an konkreten Projekten, die von Studierenden umgesetzt und strategische und kollaborative Kompetenzen fördern sollen, braucht Lehrende als Begleitung und Unterstützung. Ein Fokus auf partizipative Lehre fordert Lehrende auf, einen Teil der Verantwortung für eine Veranstaltung abzugeben und Lehre als gemeinsame Aufgabe zu begreifen.