Weshalb lohnt es sich, kritische Distanz zu Design Thinking aufzubauen und es dennoch zu lehren?
Design Thinking ist ein Produkt auf einem Markt. Als solches und als agile Arbeitsweise trifft es den Zeitgeist der Gegenwartsgesellschaft und läuft damit Gefahr, bei buzzwords und/oder blinder Anwendung der Techniken stehenzubleiben und sich als Selbstzweck, Trend oder Formalismus zu gefallen.
»Design Thinking packages a designer’s way of working for a non-designer audience by codifying their processes into a prescriptive, step-by-step approach to creative problem solving – claiming that it can be applied by anyone to any problem.« (N. Jen, 2017)
Nicht nur Designer*innen haben Kritik geäußert; als Normisierung bzw. Teil einer „Normalisierung der Kreativität“ (Krämer 2023) lässt sich Design Thinking jedenfalls beobachten und kritisch reflektieren.
Tim Seitz beeindruckende soziologische Studie „Design Thinking und der neue Geist des Kapitalismus“ sei empfohlen als Pflichtlektüre für Lehrende, die ihre ersten Lehrerfahrungen mit DT gemacht haben. Seitz interpretiert DT als zeitgemäße kapitalistische Praxis, die dem von Stoppuhr, Post-It und selbstkonstruierten Geschichten von Nutzer*innennähe aktivierten Individuum eine „Befreiung in (statt von, KA) der Arbeit“ (2017:122) in Aussicht stellt, ohne in sachlicher Hinsicht bessere Ergebnisse zu erzielen.
Allerdings betrachtet Seitz eine (eingeschränkte) DT-Praxis, die sich vermarkten muss und die sich (aus welchen Gründen auch immer) genug ist in der puren Anwendung ihrer Methoden, ohne sie durchgängig auf ein Ziel zu beziehen, zu hinterfragen, zu selektieren. Insofern lässt sich die Studie auch wie ein Leitfaden für don’ts im Design Thinking lesen: Methoden um der Methode Willen, zwanghaftes Festhalten an Post-it-Nutzung, ein im Prinzip begründetes Timeboxing, sich selbst und die eigene Lösung legitimierende Persona-Konstrukte, durchstrukturierte und auf diese Weise von Konflikten befreite Gruppenprozesse u.a.m. Die didaktisch reflektierte Design Thinking-Hochschullehre kann das anders handhaben.