Exkursionsformate

Aus den genannten potentiellen Lernzielen (s.o.) ist erkennbar, dass Exkursionen zur Bildung sowohl fachlicher als auch sozialer Kompetenzen beitragen können. Im fachlichen Bereich wiederum können Exkursionen unterschiedlichen Lehr-Lern-Paradigmen folgen. So tragen instruktive Exkursionen dazu bei, Fachwissen zu vertiefen und anzuwenden sowie Arbeits- und Erhebungsmethoden zu erproben. Konstruktivistische Exkursionen ermöglichen Studierenden einen möglichst stark von ihnen selbst bestimmten Zugang zu einem Thema – ausgelöst durch die Beobachtungen im Raum werden Fragen aufgeworfen und eigene Perspektiven entwickelt.

Wie können solche Exkursionen nun gestaltet sein? Dazu gibt es eine Reihe unterschiedlicher Zugänge (Abb.2).

Abb. 2: Gegenüberstellung unterschiedlicher Gestaltungsmöglichkeiten von Exkursionen

Beispielhaft seien hier einige ausführlicher vorgestellt:

Überblicksexkursion vs. Themenzentrierung

Exkursionen, die dazu dienen, „einen Überblick über einen Raum / Geländeausschnitt“ zu geben, gibt es wohl kaum noch. Fast immer geht es heutzutage darum, sich einem Thema zu widmen, für das der Raumausschnitt als Anschauungsobjekt oder Beispiel dient. Anders als früher z. B. in der Geographie, wo es einen „länderkundlichen Ansatz“ gab (die Raumerkundung also Selbstzweck war), geht es heute i. d. R. darum, Fachwissen auf ein Beispiel anzuwenden. Der Weg ins Gelände, ins Quartier oder auch ins Museum dient dazu, Typisches oder Untypisches herauszuarbeiten.

Themen können in der Geologie z. B. sein, die Ausprägungen und Eigenschaften einer Gesteinsformation kennenzulernen, in der Botanik Pflanzengattungen eines bestimmten Standorttyps zu identifizieren, in der Stadtforschung, die Aneignung eines Quartiers durch die Bewohner*innen zu erkennen, in der Kunstgeschichte, Werke eine Epoche miteinander zu vergleichen etc.

Fremdbestimmt vs. selbstbestimmt

Der Grad der Fremdbestimmung bezieht sich auf die Studierendenperspektive, beschreibt also, in welchem Maß die Lernenden Einfluss auf den Ort, den zeitlichen Ablauf und die Inhalte der Exkursion nehmen können. Eine klassisch geführte Exkursion ist eine mit einem hohen Maß an Fremdbestimmung, da i. d. R. durch die Lehrperson Route, Standorte, Verweildauer vor Ort und die Themen vorgegeben werden. Der Übergang zu stärker selbstbestimmten Exkursionen ist fließend. So können z. B. Abschnitte der Exkursion für Eigenerkundungen freigegeben werden, wobei auch da wieder die Möglichkeit besteht, Studierende mit einer bestimmten Aufgabe (also fremdbestimmt) oder zur freien Beobachtung losziehen zu lassen. Einen Gegenpol zur Fremdbestimmung stellt ein Modell dar, in dem Studierenden ein ungefährer Raum und ein Zeitfenster zur Verfügung gestellt werden, damit sie eigenen (möglicherweise vorher von ihnen selbst erarbeiteten) Fragestellungen nachgehen können.

Eine von Studierenden geführte Exkursion hingegen ist als fremdbestimmte Exkursion zu werten, da sich aus Sicht der Teilnehmenden die Situation genauso darstellt wie in einer Exkursion, die vom Lehrpersonal durchgeführt wird – der einziger Unterschied ist, dass einige Studierende die Kontrolle über Zeit, Raum und Inhalt haben.

Instruktiv vs. konstruktivistisch

Instruktive Exkursionen können durchaus interaktiv sein: Studierende erhalten Beobachtungs- oder Arbeitsaufgaben, sie üben Geländemethoden ein oder werden zur Diskussion angeregt. Allerdings wird ihnen das Thema, an dem sie arbeiten, sehr eng vorgegeben. Konstruktivistische Ansätze lassen hier mehr Spielraum zu. Studierende erarbeiten sich eigene Fragestellungen, denen sie bei der Exkursion nachgehen möchten und bringen ihre eigene Perspektive stärker in den Lernprozess ein.

Beispiel instruktive Stadtexkursion

Ziel ist es Studierenden beizubringen, wie sie das historische Wachstum der Stadt und ihre immer wieder erfolgte Überprägung in den verschiedenen Epochen erkennen können. Im Vorbereitungsseminar lernen sie deshalb Baustile kennen und bei einem Stadtgang wenden sie dieses Wissen auf die Gebäude an, die sie sehen. Dazu werden Aufgaben gestellt. Z. B.: „Erarbeiten Sie, in welche zeitlichen Reihenfolge die Häuser rund um diesen Platz entstanden sind.“ oder „Folgen Sie den hier einmündenden Straßenzügen und überlegen Sie, aus welcher Richtung die Stadt hierher erweitert wurde.“ oder „In wievielen und welchen Etappen ist die Stadt vom Marktplatz bis hierher erweitert worden?“

Beispiel konstruktive Stadtexkursion

Ziel ist es, die Studierenden die Komplexität von Stadtplanung erkennen zu lassen. Die Exkursion könnte sowohl am Anfang als auch in der Mitte oder am Ende einer Lehrveranstaltung zum Thema Stadtplanung stehen. Eine Aufgabe könnte sein: „Begehen Sie dieses Quartier und beobachten Sie, welche Herausforderungen sich hier für die Stadtplanung ergeben. Dokumentieren Sie die Herausforderung, die Ihnen am dringlichsten erscheint, mit Fotos.“ Ergebnis könnte nun sein, dass sich ein Team mit der Sanierung von Gebäuden, ein anderes mit der sozialen Diversität, ein drittes mit der Verkehrssituation im Quartier, ein viertes mit der grünen Infrastruktur beschäftigt.

Individuell vs. kollaborativ

Bei einer geführten Exkursion stehen oft der Input durch eine Lehrperson sowie an ausgewählten Orten das Gespräch mit den Teilnehmenden im Vordergrund. Ggf. werden auch Referate von Studierenden integriert. Gefordert ist hier also das individuelle Engagement der Studierenden durch Mitarbeit, Mitdenken, Mitdiskutieren, ggf. Mitreferieren.

Möglich ist jedoch die Einbindung von Aufgaben, die von Kleingruppen bearbeitet werden können. Beispiele dafür finden sich bereits in den Beispielkästen (s. „Instruktiv vs. konstruktivistisch“). Darüber hinaus können aber auch von Einzelpersonen bearbeitete Aufgaben (z. B. Referate, Recherchen, Beobachtungen) während der Exkursion zusammengeführt werden um daraus dann ein Gesamtbild entstehen zu lassen. Ein Beispiel dafür wäre, dass jede*r Teilnehmende Pat*in für einen bestimmten Baustil, (oder einen bestimmten Pflanzentyp, ein Mineral etc.) ist, und dann in einer komplexen Situation erst durch das Wissen jedes und jeder einzelnen ein Gesamtbild erklärt werden kann.

Kollaboratives Arbeiten fördert durch den Austausch über das jeweilige Thema den Behaltenseffekt sowie die Kreativität und kann zur Entwicklung von Lösungen für Fragestellung oder Probleme beitragen. Außerdem führt es dazu, dass Studierende sich kennenlernen, was (s.o.) vor allem zu Studienanfang sehr wichtig ist.

Digital vs. analog

Digitale Exkursionen? Ja, auch das ist möglich. Dabei ist allerdings zu unterscheiden zwischen „digital geführten Exkursionen“ und „virtuellen Exkursionen“. Als digital geführt können solche Exkursionen bezeichnet werden, bei denen Studierenden online Material zur Verfügung gestellt wird, mit dem sie selbständig alleine oder in Teams losziehen und den Raum begehen können. Unterwegs können sie über mobile Endgeräte Informationen, Aufgaben, Fragen, Video- oder Audiodaten, Pläne, Bilder und die Routenbeschreibung abrufen. Im Unterschied dazu sind „virtuelle Exkursionen“ keine echten Exkursionen, weil hier über verschiedene Medien Materialien zu einem Raum zur Verfügung gestellt werden, diese aber alle am heimischen PC betrachtet werden. Ein Verlassen des Hauses ist zur Durchführung einer virtuellen Exkursion also nicht erforderlich.

Digital geführte Exkursionen hingegen ermöglichen den Teilnehmenden, einen ungewohnten Raum kennenzulernen. Sie sind der echten Begegnung mit neuen Eindrücken ausgesetzt – auch wenn die Informationen und Anweisungen unterwegs vom Tablet oder Handy kommen.

Virtuelle Exkursionen sind keine Exkursionen!

Im Zusammenhang mit der digitalen Darstellung von Räumen werden oft die Begriffe „virtuelle Exkursionen“ oder „eExkursionen“ verwendet. Zunehmend verbreitet ist auch das nach der entsprechenden Software benannte Format der „Google Expeditions“. Gemeinsam ist diesen Konzepten jedoch durchweg, dass es sich nicht um Exkursionen handelt. Denn Exkursionen erfordern immer einen physischen Ortswechsel vom gewohnten Lehr- oder Lernort hin zu einem Ort, der nicht ursprünglich zum Lehren oder Lernen geschaffen wurde. Das ist bei digitalen aufbereiteten „Touren“ nicht der Fall: Nutzer*innen verlassen ihren Schreibtisch nicht. Infolgedessen handelt es sich bei diesen Formaten um eine Form des eLearnings, nicht um Exkursionen.