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Lehre und Lernen in Einklang bringen

Interdisziplinäre Lehrformate unterscheiden sich deutlich von anderen Lehrformaten. In einer überfachlichen Lehrveranstaltung unterrichten Lehrende unterschiedlicher Fächer Studierende aus den verschiedensten Fächern. Beide – Lehrende und Studierende – agieren in einem differenzierten Lehr-Lern-Setting, weil sich sowohl die Lehrenden als auch die Studierenden in Bezug auf Lernziele, Prüfungsformate und Methodensetting sowie in Bezug auf die Themenstellung aus dem gewohnten fachlichen Kontext lösen. Das stellt alle Seiten vor besondere Herausforderungen.

Interdisziplinäre Lehr-Lern-Prozesse sollten schrittweise didaktisch gestaltet werden. Bei der Konzeption einer interdisziplinären Lehrveranstaltung bewährt es sich, vom Ende her zu denken, d. h. zunächst die Lernziele festzulegen (Constructive Alignment). Möglichst konkret, klar und realistisch. Im Kern geht es um die Vermittlung überfachlicher Kompetenzen. Kognitive Lernziele treten eher in den Hintergrund. Als Resultat interdisziplinärer Lehre steht kein „träges Wissen“, sondern „Können“, das in neuen Situationen und Wissenschaftskontexten eingesetzt werden kann.

Ein oftmals nicht beachteter, aber wichtiger Effekt interdisziplinärer Lehre ist der Erwerb affektiver Kompetenzen: Die Studierenden sind in interdisziplinären Lehrformaten stets herausgefordert, andere Sichtweisen einzunehmen, die eigene Disziplin kritisch zu hinterfragen, eigene Standpunkte zu entwickeln und auch revidieren zu können. Die Auseinandersetzung mit Interdisziplinarität führt bei den Studierenden häufig zu Veränderungen ihrer eigenen Einstellung oder der Werthaltung: nicht nur bezogen auf das eigene Handeln, sondern auch gegenüber dem eigenen Fach.

In der interdisziplinären Lehre geht es nicht nur ausschließlich um die reine Fachwissen- und Inhaltsvermittlung. Vielmehr geht es beim interdisziplinären Lehren und Lernen um den Transfer zwischen den Disziplinen, damit neues Wissen entstehen kann. Dies gelingt mit Themen und Fragestellungen, die aus möglichst vielen Disziplinen betrachtet und bearbeitet werden können, wie z. B. Fragen der Humanitären Hilfe, der Bioethik, zum demographischen Wandel, Klimawandel,  Digitalisierung aller Lebensbereiche, Mobilität oder globale Migration.

 

Rolle der Lehrenden

Sie als Lehrende sind in einer interdisziplinären Lehrveranstaltung in einer besonderen Rolle. Sie müssen die Studierenden Schritt für Schritt an die definierten Lernziele heranführen, dabei den sicheren Boden des eigenen Faches verlassen und auch selbst den Blick anderer Disziplinen einnehmen können. Es erfordert ein anderes Lehrverständnis, sich mitunter gemeinsam mit den Studierenden den Themen und Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu nähern. Zudem gestalten die Lehrenden die interdisziplinären Lehrveranstaltungen mit Kolleg*innen anderer Fächer, die ihrerseits ein eigenes Verständnis von Lehre mitbringen. Es geht also zunächst darum, eine Verständigung darüber herzustellen, wie gelehrt, aber auch wie gelernt werden soll. Ein wesentliches didaktisches Gestaltungselement ist dabei die Auswahl der einzusetzenden Methoden.

 

Didaktische Gestaltungselemente

Neues Terrain erfordert neues Denken. Ein weiteres wichtiges Gestaltungselement ist es, Raum und Möglichkeiten für divergentes Denken zu schaffen, damit neues Wissen entstehen kann. Dieser Lernprozess, neue Ideen einzubringen und Herangehensweisen auszuprobieren, kann didaktisch mit Kreativmethoden, wie dem Design Thinking, angestoßen werden. Außergewöhnliche Lernorte unterstützen den Prozess und können eine kreative und intensive Lernatmosphäre schaffen (Tagungsdokumentation Lehrlounge – der Lehre Raum geben).

Freiräume und ein aktivierendes Methodensetting sind wichtige Gestaltungselemente in interdisziplinären Formaten. In einem solchen Setting wird individuell und erfahrungsbasiert am Gegenstand gelernt, weil der eigene disziplinäre Bezugsrahmen immer wieder verlassen wird. Ergo: Das Handlungsergebnis, z.B. nach Abschluss der virtuellen Simulation oder des Planspiels, ist nicht das eigentliche Lernergebnis. Das individuelle und erfahrungsbasierte Lernen an die eigentlichen Lernziele und damit an den Kontext Wissenschaft zurück zu koppeln, muss aktiv von den Lehrenden gestaltet werden und gelingt über die Integration von Reflexionsinstrumenten in den Lernprozess. Didaktisch gestaltet können diese Reflexionsprozesse z. B. mit dem Einsatz von Lerntagebüchern, von Diskussions- und Präsentationsformaten oder von Gesprächs- und Feedbackformaten werden.

 

Prüfen in interdisziplinären Lehrveranstaltungen

Ein letztes, aber nicht unwichtiges didaktisches Gestaltungselement ist das Prüfen. Nach der Devise „What you test is what they learn“ bleibt der gewünschte Lernerfolg oftmals auf der Strecke, weil  das gewohnte Prüfungsformat nicht immer zu den überfachlichen Lernzielen passt. Wenn die Modulabschlussprüfung vorgegeben ist und dabei bspw. drei Lehrende unterschiedlicher Studiengänge zusammenkommen, kann es kompliziert werden, wie im Falle des Lehrprojektes „Leben auf begrenztem Raum“. Die Lösung dafür ist jedoch denkbar einfach. Vorgegebene Prüfungsformate lassen sich ergänzen. Da kontinuierliche Reflexionsprozesse im Lehr-Lern-Setting interdisziplinärer Formate von entscheidender Bedeutung für den Lernerfolg der Studierenden sind, können diese gleich zur Überprüfung herangezogen werden, z. B. mit dem regelmäßigen Anfertigen kleiner Protokolle als Ergänzung zum Lerntagebuch. Auch unterschiedliche Diskussions- und Präsentationsformate, wie Fishbowl, Postersessions o. Ä. lassen sich als Prüfungsformate einsetzen. In einigen Studiengängen ist der Einsatz von ePortfolios als Prüfungsformat bereits erprobt.