Warum Sie Referate halten lassen sollten!
Referate sind aus der universitären Lehre nicht wegzudenken. Und das ist auch gut so!
Warum? Referate geben Studierenden die Möglichkeit, wissenschaftliche Methoden wie auch die Prinzipien des wissenschaftlichen Arbeitens kennenzulernen. Halten Studierende Referate, erhalten sie die Gelegenheit, sich in Vortragssituationen zu erfahren, wissenschaftliches Denken und Handeln einzuüben und Arbeitsabläufe zu trainieren, die einerseits für das Studium und das wissenschaftliche Arbeiten zentral sind und andererseits zentrale berufliche Schlüsselkompetenzen darstellen (vgl. Guckelsberger 2005: 263).
Wissenschaftsbezogene Kompetenzen
Im Wissenschaftsbetrieb werden neue Erkenntnisse auf Tagungen präsentiert, die dann von Kolleg*innen rezipiert, diskutiert und kritisiert werden (vgl. Weinrich 1985: 45) Vor allem bei jüngeren Studierenden, die Referate halten, ist das aber häufig nicht der Fall. Studierende sind noch Lernende. Sie müssen zunächst dazu befähigt werden, wissenschaftliche Erkenntnisse zu rezipieren und zu kritisieren. Hier bietet sich ein Trainingsparcours an, indem Studierende, z.B. in einem ersten Schritt Inhalte eines Textes in eigenen Worten wiedergeben, diesen dann mit anderen Texten vergleichen, Gegenargumente für das Dargestellte suchen und schließlich eine Kritik zum gelesenen Text verfassen. Aufbauend auf diesen Fähigkeiten können Studierende dann sukzessive eigenständig neue Erkenntnisse generieren.
Studierende können diese Fähigkeiten erwerben, wenn sie Referate halten – und, wenn sie als Seminarteilnehmer*innen bei Referaten zuhören. Übertragen Sie einem/einer Studierenden ein Referat, in dem eine wissenschaftliche Fragestellung bearbeitet werden soll, fordern Sie ihn/sie zur kritischen Auseinandersetzung mit dem zu erlernenden Wissen und zur aktiven Teilnahme am wissenschaftlichen Diskurs auf (Wiesmann 1999: 43). Uns Lehrenden ist das völlig klar. Aber: Machen Sie das Ihren Studierenden transparent! Denn viele Studierende denken, dass sie in Referaten lediglich Gelesenes wiedergeben und präsentieren sollen.
Schon das Lesen wissenschaftlicher Texte ist nicht einfach, denn wissenschaftliche Texte weisen eine diskursive Struktur auf, die es wahrzunehmen gilt: Vor allem in geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Texten werden Positionen verschiedener Autor*innen miteinander in Beziehung gesetzt. Diesen Diskurs zu erkennen, damit zu arbeiten und ihn einschätzen zu können, erlernen Studierende, wenn sie Referate halten. So können Studierende z.B. auch eine Kontroversenkompetenz erwerben. Steinhoff versteht unter dem Begriff Kontroversenkompetenz, „die Fähigkeit, Fachtexte aus kritischer Distanz zu referieren und zu kommentieren“ (Steinhoff 2008: 6). Er bezieht diese Kompetenz auf das Schreiben von (wissenschaftlichen) Hausarbeiten, Ziel sei „die Entwicklung eines realistischen Bildes von Wissenschaft und wissenschaftlicher Kommunikation, das dessen Vielstimmigkeit und kontroverse Konstitution ernst nimmt [.]“ (ebd.). Dies kann aber ebenso bei der Aufbereitung wissenschaftlicher Inhalte für Vorträge gelten, denn das wissenschaftliche Handeln ist in beiden Diskursarten das Gleiche: In beiden Formaten geht es um den Umgang mit wissenschaftlichen Positionen und das Erkennen von diskursiven Strukturen. Studierende üben in diesen Formaten, selbst wissenschaftlich tätig zu werden, indem sie ihre Erkenntnisse in Bezug zu den Erkenntnissen anderer setzen.
Um all diese wissenschaftsbezogenen Kompetenzen (Guckelsberger 2005: 263) erwerben zu können, brauchen die Studierende Reflexions- und Übungsgelegenheiten:
- Eventuell benötigen sie Unterstützung bei der Analyse der zugrundeliegenden Literatur. Vielleicht können Sie hier einige Fragen vorbereiten, die sich an Texte richten lassen (z.B. Was ist die Hauptaussage? Welche Argumente werden vorgebracht? Gibt es andere wissenschaftliche Erkenntnisse, die dem Dargelegten widersprechen?).
- Auch die Formulierung einer These oder Fragestellung und die Entwicklung der Argumentationslinie ist nicht immer einfach für Studierende. Hier kann es hilfreich sein, die Ergebnisse der Literaturrecherche oder auch die ersten Thesenvorschläge selbst zu feedbacken bzw. durch die Mitstudierenden peerfeedbacken zu lassen.
- Eine adressatengerechte Präsentation erstellt sich nicht von selbst. Geben Sie Hinweise, für wen die Referate gehalten werden sollen: Für Sie als Lehrperson oder soll sich das Referat inhaltlich an den anderen Studierenden orientieren? Regen Sie die Studierenden an, darüber nachzudenken, was ihre Kommiliton*innen über das Thema schon wissen bzw. was sie interessant finden könnten.
- Wie lässt sich ein Stichwortzettel so aufbereiten, dass er für freies Sprechen gut geeignet ist? Auch hier ließe sich eine kleine Übungseinheit in Ihr Seminar einbauen, in der Studierende mit unterschiedlichen Stichwortzetteln kurze Inhalte vortragen und selbst erkennen, mit welcher Vorlage sie am besten frei sprechen können.
Referate sind Teil des Sozialisationsprozesses für angehende Wissenschaftler*innen, und gleichzeitig sind diese Arbeitsprinzipien auch außerhalb der Universität von Belang. Vorträge werden in fast jedem Bereich gehalten. Mit Referaten professionalisieren sich Studierende also auch für eine spätere berufliche Tätigkeit.
Was genau im Seminar unter dem Begriff Referat verstanden wird, sollte zunächst geklärt werden.