Mentoring/ Begleitung der Studierenden
Während eines Virtual Exchange sind die Studierenden einer Vielzahl von wahrscheinlich neuen und nicht gewohnten Arbeits- und Interaktionsformen sowie auch neuen kulturellen Perspektiven, Einstellungen, Strukturen, Lehr- und Lernkulturen ausgesetzt. Deshalb benötigen die Studierenden mehr Unterstützung und Anleitung als in ihrem gewohnten Umfeld. Aus diesem Grund sind Sie gefragt, während eines Virtual Exchange in die Rolle der pädagogischen Mentor*in zu treten, und so den Lernprozess Ihrer Studierenden zu fördern (O’Dowd et al. 2020, S. 146).
Entgegen der Annahme, dass Studierende heutzutage von Natur aus gut auf Online-Interaktion vorbereitet sind, hat sich gezeigt, dass Sie als Lehrende durch Anleitung im Umgang mit den zu verwendenden Tools den Erfolg von Online-Lernformaten deutlich fördern können. Vor allem für die Kooperation und Kommunikation benötigen Studierende Erläuterungen, um effektiv zusammenarbeiten zu können (Gutiérrez et al. 2021, S. 1; O’Dowd et al. 2020, S. 147). Um Ihre Studierenden zu ermutigen, über einen oberflächlichen Kontakt hinaus in einen tiefgehenden Austausch über kulturelle Perspektiven einzutreten, sind Sie als Lehrende*r aufgerufen, „Lernende dazu anzuleiten, Unterschiede wahrzunehmen“ (O’Dowd et al. 2020, S. 148) und kulturelle Vorstellungen zu vergleichen (O’Dowd et al. 2020, 148).
Mentoring-Aktivitäten von Lehrenden, die einen Virtual Exchange für ihre Studierenden konzipieren, können vor, während und nach der Interaktion stattfinden und verschiedene Maßnahmen beinhalten. Um die Mentoring-Aktivitäten durchzuführen, ist eine Reflexion über die Ausgangslage der Studierenden oder ein Austausch mit ihnen erforderlich (Gutiérrez et al. 2021, S. 1), um herauszufinden, wo sie Unterstützung benötigen und welche Art von Mentoring-Aktivität angemessen ist.
Abbildung 2: Mentoring-Aktivitäten und -Methoden und ihre zeitliche Einordnung. Quelle: eigene Darstellung.
Mentoring-Aktivitäten vor dem Virtual Exchange können den Umgang mit Technologien, Grundregeln der Netiquette und der Online-Kommunikation, organisatorische Fähigkeiten und das Ansprechen von Ängsten, Bedenken und Erwartungen der Teilnehmer*innen betreffen (Gutiérrez et al. 2021, S. 3-5, 18-19).
Während des Virtual Exchange benötigen die Studierenden möglicherweise Unterstützung bei der Entwicklung kommunikativer Strategien, um erfolgreich zu interagieren. Die Studierenden müssen zum Beispiel technische Schwierigkeiten während der Treffen moderieren, kooperatives Verhalten in ihrer eigenen Kleingruppe fördern, oder ein Gleichgewicht bei der Gesprächsbeteiligung herstellen. Die Studierenden müssen zudem lernen, nachzufragen, konstruktiv zu diskutieren und Bedeutungen aus ihrem kulturellem Hintergrund zu erklären. Auch für sprachliche Hürden müssen Strategien des Umgangs entwickelt werden. Bei schriftlicher Kommunikation sollte im Mentoring auf die Formulierung und Verwendung von Symbolen eingegangen werden.
Abhängig von den Lernzielen und den Bedürfnissen der Lernenden können eines oder mehrere der genannten Themen im Rahmen von Mentoring-Aktivitäten behandelt werden, indem man positive Beispiele zeigt oder mit den Studierenden gemeinsam Leitlinien entwickelt. Auch das Gespräch und die Diskussion über unproduktive Strategien können eine wirksame Anleitung für Ihre Studierenden sein (Gutiérrez et al. 2021, S. 6-13, 19-25).
Nach der Interaktion im Virtual Exchange sollten die Lehrenden ihre Studierenden in eine kritische Reflexion über ihre Erfahrungen einbeziehen. Dies kann helfen, das Gelernte zu sortieren und ein Fazit zu ziehen. Aspekte, über die reflektiert werden kann, sind die verwendeten Kommunikationsmittel, die aufgebauten sozialen Beziehungen oder die Entwicklung von Kompetenzen (Gutiérrez et al. 2021, S. 15-17, 27-30).
Methoden im Mentoring
Betrachtet man die in der Literatur beschriebenen konkreten Methoden zum Mentoring im Virtual Exchange, so lassen sich wiederum drei Ansätze finden, die zu den oben genannten Zeitpunkten gut passen können.
Die erste Methode „Ex post Analyse“ ist die Verwendung von Beispielen, z.B. aus früheren Interaktionen, auf deren Basis Lehrende mit ihren Studierenden in Diskussion kommen können. Auf diese Weise können sowohl effektive als auch unangemessene (Kommunikations-)Strategien identifiziert werden, z.B. bevor der Virtual Exchange überhaupt beginnt (O’Dowd et al. 2020, S. 149; siehe Zuordnung in der Abbildung). Zudem können die Studierenden dafür sensibilisiert werden, „wie Kultur, Technologie und Sprache interagieren […] und Bedeutungen […] formen.“ (O’Dowd et al. 2020, S. 150)
Die zweite Methode „Moderation“ konzentriert sich auf die konkrete Interaktion der Studierenden. Da die Lehrenden in der Regel nicht bei synchronen Treffen anwesend sind, kann dieser Ansatz besser bei asynchronen Aktivitäten, z.B. in Forumsdiskussionen, verfolgt werden. Die Lehrperson kann dann in den Foren moderierend eingreifen und die Diskussion lenken, wenn sie eine Orientierungslosigkeit wahrnimmt (O’Dowd et al. 2020, S. 150).
Die dritte Methode des Mentorings „Artefaktanalyse“ ist eine Reflexion der tatsächlichen Kommunikation der Studierenden. Diese wird während der Seminarzeit besprochen und kann dazu führen, nächste Schritte vorzubereiten oder interkulturelles Lernen zu initiieren. Diese Sitzungen sollten ohne die internationalen Peers stattfinden. Die Studierenden bringen dazu Auszüge aus ihrer Interaktion in der internationalen Kleingruppe mit, z.B. in Form von Mitschriften, Transkripten, Videoaufnahmen, empfangenen oder verfassten Nachrichten oder anderen Äußerungen. Die Lehrenden können dann diese Artefakte nutzen, um mit ihren Studierenden ein Gespräch über kulturelle Merkmale oder Gewohnheiten zu initiieren, die am Beispiel zu sehen sind (O’Dowd et al. 2020, S. 151). Da es für Lehrende nicht einfach ist, Zugang zur Kommunikation und Interaktion ihrer Studierenden zu erhalten, sollte ein regelmäßiger Austausch von Abschriften oder Kopien mit der lehrenden Person stattfinden.
Auch das Befragen der Studierenden nach seltsamen oder verrückten Situationen während der Zusammenarbeit kann Hinweise liefern, welche Situationen für das interkulturelle Lernen entscheidend sein können (O’Dowd et al. 2020, S. 167). Vor allem Missverständnisse und Pannen können eine gute Lerngelegenheit darstellen und die Analyse im Seminar kann dabei helfen, geeignete Reaktionsmöglichkeiten auszuloten (a.a.O., S. 168).
Schließlich ist der Kontakt und die Kommunikation mit der*dem Lehrpartner*in von entscheidender Bedeutung, um den Mentoring-Bedarf zu ermitteln und eine gemeinsame Strategie als Lehrendenteam zu verfolgen (O’Dowd et al. 2020, S. 167).
Viele hilfreiche Präsentationen und Hinweise zur Gestaltung von Mentoring während eines Virtual Exchange finden Sie im ‚Mentoring Handbook for Virtual Exchange teachers‘ von Gutiérrez, Glimäng, O’Dowd und Sauro (2021).