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Was steckt hinter dem Begriff Learning Analytics?

8. Oktober 2025

Antworten Sie spontan mit Ja oder Nein: Haben Sie selbst schon einmal Learning Analytics betrieben?

Vermutlich würden einige von Ihnen Nein sagen. Andere – vielleicht weniger – Ja.

Aber:

Haben Sie schon einmal im Semester systematisch den Lernstand Ihrer Studierenden erhoben, bspw. durch ein Quiz, um Ihre weitere Lehre zu planen?

Haben Sie schon einmal den Lernstand der Studierenden individuell oder für den ganzen Kurs ausgewertet und überlegt, wie Sie die folgenden Semesterwochen daraufhin anpassen können?

Haben Sie schon einmal eine Lehrveranstaltung für mehrere Semester angeboten, die Modulabschlussnoten über die Semester hinweg miteinander verglichen und Schlussfolgerungen für die kommenden Semester daraus gezogen?

Haben Sie schon einmal Ihre Kolleg*innen, die entsprechend des Studienverlaufsplans in den vorherigen Semestern lehren, gefragt, wie die aktuelle Kohorte der Studierenden die Module abgeschlossen haben und mit welchen Voraussetzungen Sie rechnen können?

Haben Sie schon einmal ein Voting Tool eingesetzt, um Studierenden eine Rückmeldung auf ihren Lernstand zu geben und diesen auch selbst zu erhalten?

Sicherlich wissen Sie, dass ich mit den Nachfragen darauf anspielen möchte, dass Sie eventuell doch schon einmal Learning Analytics betrieben haben, auch wenn Sie es spontan verneinen würden. Was fällt also überhaupt alles unter den Begriff Learning Analytics? Darum geht es im nächsten Kapitel. 

Learning Analytics: ein häufig unklarer Begriff

In wissenschaftlichen Publikationen wird Learning Analytics anhand des folgenden Zitats definiert:

“Learning analytics is the measurement, collection, analysis and reporting of data about learners and their contexts, for purposes of understanding and optimising learning and the environments in which it occurs.” (Long et al., 2011)

Entsprechend dieser Definition muss für Learning Analytics also ein Datenverarbeitungsprozess in vier Schritten das Messen, Sammeln, Analysieren und Berichten durchgeführt werden. Die gemessenen Daten können dabei das Lernverhalten der Studierende selbst, oder den Kontext des Lernens betreffen. Die Auswertung soll dazu dienen, das Lernverhalten und den Lernprozess zu verstehen und diesen, zusammen mit der Lernumgebung, zu optimieren. Die Verbesserung der Lernqualität muss nicht ausschließlich durch Lehrende erfolgen. Auch Studierenden können die Analyseergebnisse zu ihrem Lernverhalten direkt zur Verfügung gestellt werden, sodass sie ihr Lernverhalten anpassen können.

Lang und Kolleg*innen (2022) stellen in der zweiten Ausgabe des Handbook for Learning Analytics die thematische Vielfalt heraus, die mit dem Begriff Learning Analytics beschrieben wird. Diese thematische Vielfalt ergibt sich daraus, dass der Begriff Learning Analytics im Diskurs einerseits im engeren Sinne für ganz bestimmte Auswertungen von Lerndaten verwendet wird; indem innerhalb von einzelnen Lernangeboten, bspw. Lehrveranstaltungen oder Selbstlernkursen, Lerndaten ausgewertet und für die Steuerung des weiteren Lernprozesses genutzt werden. Andererseits wird Learning Analytics im weiteren Sinne auch als Überbegriff für verschiedene Formen der Lerndatenauswertung verwendet, wie bspw. Educational Data Mining, Curriculum Analytics, Assessment Analytics oder Classroom Analytics. Beide Formen der Begriffsverwendung, das enge und das weite Verständnis, sind nicht falsch und begründen sich in der historischen Entwicklung und immer stärkeren Ausdifferenzierung des Feldes.[1] Für eine unmissverständliche Auseinandersetzung mit dem Thema ist es allerdings entsprechend wichtig, das angelegte Verständnis zum Begriff in Texten und Workshops transparent zu machen. Buckingham Shums (2012) bietet mit seiner Unterscheidung in die Mikro-, Meso- und Makroebenen eine entsprechende Einordnung an. Lerndatenanalysen innerhalb von Lehrveranstaltungen beschreibt die Mikroebene seines Modells, institutionenweite Analysen die Mesoebene und Analysen über mehrere Institutionen hinausbeschreibt die Makroebene.

Da der hier vorliegende Text einen Überblick über das Thema bieten soll, werde ich Learning Analytics im Folgenden als Überbegriff verwenden, meine also das weite Begriffsverständnis und bringe insbesondere praktische Beispiele für die Mikroebene.

[1] Eine vergleichbare Entwicklung ist für den Begriff der Künstlichen Intelligenz zu beobachten.