Beratung von Studierenden organisieren und gestalten
Vorhandene Zeit wirksam nutzen
1. Worum geht es?
Der Bedarf an Orientierung von Studierenden wächst und damit die Nachfrage nach Beratung durch Lehrende. Bachelor- und Masterstudiengänge sind betreuungsintensiv.
Beratung findet in ganz unterschiedlichen Situationen und zu vielfältigen Anlässen statt, geplant und vereinbart in Sprechstunden, aber auch situativ und integriert in Lehrveranstaltungen und Projekte.
Lehrende stehen vor der Aufgabe, die wissenschaftlichen Anforderungen mit der Perspektive und den Fragen der Studierenden zu verbinden.
Beratung von Studierenden gehört wie Lehren, Prüfen und Forschen zu den Aufgaben von Hochschullehrenden. Die Beratung durch Lehrende ist jedoch in der universitären Öffentlichkeit und fachlichen Diskussion kein anerkanntes und diskutiertes Thema.
Sie sind in der Lehre tätig. Ihre Studierenden suchen Begleitung, Rückmeldung und Unterstützung. Ihrem Wunsch, für die einzelnen Anliegen der Studierenden ein „offenes Ohr“ zu haben, stehen begrenzte zeitliche Ressourcen gegenüber. Wir laden Sie ein, Ihre Beratungspraxis und -angebote zu reflektieren und der Frage nachzugehen: Wie gelingt es mir meine vorhandene Zeit für Beratung so zu nutzen, dass am Ende beide Seiten sagen können: „Das war wirksam, hilfreich und lernförderlich!“
Für die Gestaltung und Organisation gibt es keine Patentrezepte, jedoch hilfreiche praxisbezogene Anregungen1.
2. Mit welchen Anlässen und Fragen kommen Studierende in die Beratung? Und wann sind sie RICHTIG?
Lehrende an Universitäten sind in unterschiedlichsten Situationen in Kontakt mit Studierenden in einer beratenden Rolle. Oftmals sind die Gespräche nicht (ein)geplant und entwickeln sich situativ, finden zwischen „Tür und Angel“, in den Pausen oder nach Lehrveranstaltungen statt. Entsprechend spontan verlaufen die Gespräche. Sind es „nur“ Informationsfragen, können diese häufig sofort beantwortet werden. Bei genauerem Zuhören stehen in diesen Gesprächen jedoch oftmals auch wichtige Fragen um Studium und Lernen zur Debatte, die eine sorgfältigere Bearbeitung brauchen. Manche Anliegen und Probleme gehören nicht in den Kompetenzbereich der Lehrenden.
Wenn es darum geht, über Organisation und Gestaltung von Sprechstunde und Beratung nachzudenken, ist ein erster wichtiger Schritt, sich der eigenen Aufgabe und Rolle bewusst zu werden und über die Frage nachzudenken: Was ist der Beratungsauftrag der Lehrenden?
Bevor Sie weiterlesen, möchte ich Sie bitten sich einen Moment Zeit zu nehmen und folgende Fragen zu beantworten:
- Mit welchen Anfragen und Anliegen kommen Studierende zu mir?
- Für welche der Beratungs-/Informationsanfragen bin ich die*der RICHTIGE? Fühle ich mich zuständig?
- Welche Themen gehören nicht in meinen Kompetenzbereich? Wann verweise ich / bzw. möchte ich gerne an andere Stellen verweisen?
Ihre Antworten können Sie in der nachfolgenden Tabelle notieren:
Mit welchen Anfragen und Anliegen kommen Studierende zu mir? | Anfragen/ Anliegen der Studierenden | Richtig / zuständig | Nicht zuständig / verweisen |
---|---|---|---|
Prüfungstechnische Fragen sowie Fragen zu Formalien der Leistungserbringung | |||
Allgemeine Information zur Prüfung-/ Studienordnung | |||
Hilfe beim Verständnis von Online-Informationen / schriftlichen Materialien | |||
Orientierungsberatung zum Beginn des Studiums | |||
Hilfe und Absprache zur Themenfindung für Hausarbeit / Referat | |||
Suche nach Literaturempfehlungen | |||
Feedback und Rückmeldung zur erbrachten Leistungen | |||
Absprachen und beratende Begleitung bei Bachelor-/ Masterarbeiten | |||
Allgemeine Information zur Prüfungs-/ Studienordnung | |||
Fachliche und wissenschaftliche Nachfragen / Expertise | |||
Hilfe zum wissenschaftlichen Arbeiten und Lernen | |||
Fragen zur Studien- und Richtungsentscheidung | |||
Planung eines Auslandssemesters | |||
Persönliche Beratung ( z.B. Überforderung, Belastung, Symptome von Burn-out) | |||
Beratung zur beruflichen Perspektive und persönlichen Eignung | |||
Beratung nach längerer Krankheit – Studierende/r hat Anschluss verpasst | |||
Beratung zur Promotion | |||
Weitere Themen |
Die Aufzählung der Beratungsanlässe ist sicherlich noch nicht vollständig, zeigt jedoch, wie vielfältig die Anlässe sind.
Basis für Qualität von Beratung ist, dass Lehrende ihr eigenes Beratungsverständnis formulieren und ihre Leistungen charakterisieren können. Zur weiteren Vergewisserung folgen einige Gedanken zur Rolle der Lehrenden.
3. Rolle und Aufgabe von Lehrenden in der Beratung
Lehre entwickelt und gestaltet sich an den Hochschulen in vielfältiger Weise. Was ist die zukünftige Rolle der Lehrenden?
Im Leitbild Lehre an der RUB wird dies so formuliert: „…Studierende werden auf ihren Entwicklungspfaden begleitet und durch die Mitglieder der universitas beraten: Lehrende und Alumni zeigen Perspektiven auf; sie haben dabei die Potenziale aller Studierenden im Blick. Die Entwicklungspfade schließen das lebenslange Lernen in späteren beruflichen Zusammenhängen ein. Auf allen Pfaden entwickeln Studierende ihre Kompetenzen durch forschendes Lernen und legen damit den Grundstein für erfolgreiche Karrieren in allen späteren Arbeitsfeldern.2“
Die Universität ist in diesem Sinne nicht nur ein Ort der fachlichen und wissenschaftlichen Bildung, sondern auch der Persönlichkeitsentwicklung.
Beratung durch Lehrende hat eine Art „Scharnierfunktion“ und zielt darauf ab, eine Verbindung zwischen Lehren und Lernen in den Seminaren und Vorlesungen und dem individuellen und selbstorganisierten Weiterlernen zu schaffen. In den Gesprächen rückt die einzelne Studentin oder der Student als ICH aus der Masse der Studierenden in den Mittelpunkt des Geschehens. Die Studierenden können ihre individuellen Anliegen und Fragen einbringen.
Lehrende sind für Studierende greifbare Ansprechpartner*innen und beeinflussen den Studienverlauf und das Lernen.
Eine Studierende sagt zu der Bedeutung einer Beratung: „…Ihr (Lehrende) Feedback in der Sprechstunde bezog sich zunächst konkret auf die von mir geschriebenen Essays…Weiterhin gab sie mir ein Feedback hinsichtlich meines Leistungsstands. Sie sagte mir, dass dies für eine Anfängerin eine sehr gute Leistung gewesen sei….Gerade diese Rückmeldung habe ich als sehr hilfreich empfunden, denn zu Beginn des Studiums war ich eher verunsichert, ob ich den Anforderungen genügen könne und ‚auf dem richtigen Weg` war.“3
Lehrende sind als Studienbegleiter*innen und Lernberater*innen im Studium gefragt. Gelingt Beratung, stärken die Gespräche die Eigenständigkeit und Selbständigkeit beim Lernen und wissenschaftlichen Arbeiten, bei der Planung des Studiums, Bewältigung anstehender Entscheidungen und Studien-/Prüfungsaufgaben und bei der Einschätzung von eigenen Leistungen. Gute Erfahrungen tragen dazu bei, dass Beratung als selbstverständlicher Bestandteil des Studiums und der Lehre erlebt wird. Ziel muss sein, dass Studierende Beratung nicht erst aufsuchen, wenn die Probleme nur noch schwer zu lösen sind und Störungen sich verhärtet haben.
Gelingt Beratung nicht, wirkt die Erfahrung verunsichernd. Erfahrung einer Studentin4: „Ich habe ein Auslandsemester absolviert und konnte aus diesem Grund nicht an der Informationsveranstaltung zur Organisation und Anmeldung „Module anderer Fächer“ teilnehmen. Nach meiner Rückkehr informierte ich mich online über die Internetseite der Fakultät und las die Prüfungsordnung und das Modulhandbuch zu dem Thema. Ich war jedoch unsicher, ob ich alle Punkte richtig verstanden hatte. Aus diesem Grund ging ich in eine Beratung beim Servicebüro des Instituts für Erziehungswissenschaften. Ich beschrieb kurz meine Situation und stellte meine Frage und wurde unmittelbar mit der Rückmeldung konfrontiert: „Das können sie alles ONLINE nachlesen. Ich bin nicht dafür da, Ihnen Ihre Fragen zu beantworten!“ Ich habe mich sehr geärgert und überhaupt nicht verstanden und ernstgenommen gefühlt. Die Erfahrung hat mich verunsichert und allein gelassen mit meinem Problem.“
Ist dies auch kein Beispiel für die Beratung einer Lehreperson, so zeigt es doch anschaulich, wie solche Reaktionen auf Studierende wirken. Auch Informationsfragen müssen genau geprüft und adäquate Reaktionen und Antworten gefunden werden. Selbständige Informationsbeschaffung muss als Ziel verfolgt, Studierende dazu ermutigt werden.
Die erste Botschaft an die Studierenden muss sein: „Sie sind RICHTIG!“
Bei jeder Kontaktaufnahme müssen Lehrende eine adäquate Reaktion für ihre weitere Vorgehensweise finden. Entscheidend ist dabei die Haltung: Zunächst einmal sind alle Studierenden richtig. Sie kommen mit einem Anliegen und haben diesen Kontakt und diese Person ausgewählt. Die Botschaft muss ankommen: „Ich bin richtig! Mein Anliegen wird ernstgenommen.“ Zusammen wird geprüft, ob dieser Lehrende die richtige und kompetente Ansprechperson ist und weiterhelfen kann.
Hilfreiche Fragen zur Klärung der weiteren Vorgehensweise und Reaktion, sind z.B.:
- Was braucht der Ratsuchende, um sein Anliegen möglichst selbstständig zu lösen?
- Kann ich mit einer kurzen Information dem*der Ratsuchenden weiterhelfen?
- Kann ich eine korrekte und verlässliche Auskunft geben? Oder ist z.B. der Studienfachberater oder das Prüfungsamt gefragt?
- Ist der/die Studierende bereits selbst aktiv geworden und hat sich informiert? Welche Informationshinweise gebe ich? Welche weitere Unterstützung biete ich an?
- Verstehe ich das Anliegen auf Anhieb oder braucht die Klärung des Anliegens mehr Zeit in der Einzelberatung?
- Wie dringlich ist Hilfe gefragt? Ist der*die Ratsuchende in einer akuten Krisensituation (z.B. akute Prüfungsangst)?
Im Folgenden geht es darum, wie Beratung stimmig für Anliegen und Situation, für Studierende und Lehrende organsiert und gestaltet werden kann.
4. Unterschiedliche Beratungsangebote und -settings
Neben der ‚klassischen’ Beratung in Sprechstunden gibt es weitere Möglichkeiten, Beratung in die Lehrtätigkeit zu integrieren und damit die Lehre zu bereichern. Beratung kann je nach Anliegen und Zielsetzung in verschiedenen Settings und Kontexten stattfinden. Jede*r Lehrende sollte ein für sich, die Situation und die Studierenden stimmiges Beratungssystem erarbeiten. Organisation und Ausgestaltung liegen in der Verantwortung des einzelnen Lehrenden. Es gibt keine gesetzten Standards, weder für Qualität noch für Quantität.
Wenn über die Ausgestaltung von Beratungsangeboten nachgedacht wird, kann dies nicht losgelöst von den Rahmenbedingungen in den Fakultäten und den zur Verfügung stehenden Ressourcengesehen werden:
- Zahlenmäßige Relation zwischen Studierenden und Lehrenden.
- Stellenwert von Beratung.
- Zeitliche Ressourcen, die dem Lehrenden zur Verfügung stehen.
- Möglichkeiten der kollegialen Unterstützung z.B. durch wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, und studentische Hilfskräfte.
- Angemessene Räumlichkeiten für die Beratung
In dem folgenden Textabschnitt liegt der Fokus auf Organisation und Gestaltung von Sprechstunden. Darüber hinaus werden weitere Beratungsmöglichkeiten vorgestellt.
Die jeweils kurze Charakterisierung bietet Anregungen und Hilfestellungen zur Weiterentwicklung und Reflexion der eigenen Beratungsangebote. Sie regen dazu an, Beratung aus der Perspektive der Studierenden und aus der eigenen Rolle als Lehrende zu betrachten.
Im ersten Schritt biete ich wieder einige Fragen zur Selbstvergewisserung an:
- Wie organisiere und gestalte ich meine Beratung mit dem Studierenden? Welche „Beratungssettings“ biete ich an?
- Welche Erfahrungen mache ich, was ist mein „Resümee“?
Welche von mir ausgewählten Angebote erlebe ich als wirksam und stimmig? - Wo sehe ich Handlungs- / Veränderungsbedarf?
Zur Bearbeitung können Sie die nachfolgende Tabelle nutzen.
Beratungssetting | Gehört zu meinen Beratungsangeboten | Mein Resümee: wirksam und stimmig | Mein Resümee: nicht wirksam und nicht stimmig | Besteht Veränderungsbedarf? Wenn ja, welcher? |
---|---|---|---|---|
Offene Sprechstunde | ||||
Terminierte Sprechstunde | ||||
Vereinbarte Beratungsgespräche außerhalb der Sprechzeiten | ||||
Beratung per Mail | ||||
Beratung per Telefon | ||||
Chat-Beratung | ||||
Gruppenberatungen | ||||
Beratung im Anschluss an Seminare/Vorlesungen | ||||
„Tür- und Angelgespräche“ | ||||
Beratung innerhalb von Mentorenprogrammen |
Beratung in Sprechstunden
In den als jour-fixe organisierten Sprechstunden steht für das Gespräch nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung, in den meisten Fällen sind es nicht mehr als 10 – 15 Minuten pro Studierender*m. Die Organisation von Sprechstunden reicht vom Zettel an der Tür „Sprechstunden nur nach Vereinbarung“, über Vorgabe von Terminen durch das Eintragen in einer Liste an der Tür oder im Sekretariat bis zur „Online-Vergabe“ von Terminen oder dem Besuch der sogenannten „Offenen Sprechstunde“, die häufig mit längeren Wartezeiten vor der Tür verbunden ist.
Sprechstunden sind der häufigste Ort, an dem Lehrende und Studierende im Vier-Augen-Gespräch sind. In vielen Fächern konzentrieren sich Kontakte zwischen Studierenden und Lehrenden neben den Lehrveranstaltungen auf Gesprächskontakte in Sprechstunden. Ein face-to-face Gespräch des Studierenden mit seinem „PROF“ ist keine „vertraute“ und gewohnte Situation. Unsicherheit und unklare Erwartungshaltungen schwingen in den Gesprächen mit. Darum müssen Gesprächssituationen so gestaltet werden, dass Studierende sich mit ihrem Anliegen ernst genommen fühlen.
Neben der Gesprächsführung hat auch die Gestaltung und Ausstattung des Raums eine wichtige Wirkung auf den Verlauf des Gesprächs. Oft sind es äußere Signale, die überraschende Wirkung entfalten.
Anregung zur Ausstattung des Raumes:
- Den Raum mit Sitzmöglichkeiten ausstatten für eine beratungsfreundliche Gesprächsatmosphäre
- Den Beratungstisch freihalten von Unterlagen und eine mögliche Sitzordnung über Eck schaffen.
- Anonymität der Beratung sichern (Vier-Augen-Gespräch)
- Störungen durch Nutzung des Raums durch andere Kollegen, Telefon, etc. ausschließen.
Anregung zur Vorbereitung der Sprechstunde durch die Studierenden selbst
- Die Studierenden können durch eine Vorbereitung auf die Sprechstunde mit zum Gelingen beitragen.
- Dies kann jedoch nicht als selbstverständlich vorausgesetzt, sondern als Erwartung und „Bedingung“ transparent gemacht und kommuniziert werden.
- So ähnlich könnte ein Hinweis auf der Homepage aussehen:
Bevor Sie zu mir in die Sprechstunde kommen, bitte ich Sie um die Vorbereitung des Gesprächs.
Die folgenden Fragen sind dabei hilfreich:
- Was genau ist Ihr Anliegen? Welche zentralen Fragen und Wünsche resultieren daraus?
- Welche Informationen haben Sie schon eingeholt? Was möchten Sie nachfragen und klären?
- Was haben Sie schon getan, um Ihre Aufgabe zu bearbeiten, Ihr Problem eigenständig zu lösen (erste Literaturrecherche, Gliederung der Hausarbeit/des Referats etc.)?
- Was sind Ihre Erwartungen an mich als Lehrperson?
Zusammenarbeit produktiv gestalten und Absprachen festhalten
Um Ergebnisse zu sichern, bewährt es sich insbesondere bei einer längeren Zusammenarbeit (z.B. Betreuung Masterarbeit) wesentliche Punkte der Beratung kurz zusammenzufassen und ein kurzes schriftliches Protokoll anzulegen. Diese Aufgabe können Studierende übernehmen und Lehrenden zur Verfügung stellen.
Hier ein Beispiel6:
Kurzprotokoll Sprechstunde – „Prüfungsvorbereitungen“ | |
---|---|
Datum: | |
Name: | |
E-Mail: | |
Prüfungsleistung: | |
Prüfungstermin: | |
Thema/Kurztitel: | |
Vereinbarte Literatur: | |
Nächstes Treffen: |
Die Offene Sprechstunde …
zeichnet sich dadurch aus, dass es keinerlei Planung und Abstimmung im Vorfeld gibt. In der Reihenfolge des Eintreffens werden Studierende „aufgerufen“. Studierende, die ohne vorherige Terminvereinbarung mit einer Beraterin oder einem Berater sprechen möchten, können die offene Sprechstunde nutzen.
Dies bringt den Vorteil eines geringen Organisationsaufwands für den Lehrenden im Vorfeld: Die Arbeit beginnt mit der Sprechstunde. Die Zeit für Beratungsgespräche ist formal nicht begrenzt. Die offene Form bietet aber keinerlei Steuerungsmöglichkeiten. Die Anzahl der Ratsuchenden ist damit nicht kalkulierbar.
Häufig entstehen zeitliche Engpässe bei der Beratung und lange Wartezeiten für die Studierenden. Beides sind keine guten Voraussetzungen für ein Gelingen der Gespräche.
Gibt es trotzdem Möglichkeiten Einfluss auf einen guten Gesprächsverlauf zu nehmen?
Anregungen für die Organisation der „Offenen Sprechstunde“:
- Wenn der Andrang groß ist, kann ein Blick vor die Tür und ein Gespräch mit den Studierenden nicht nur für den Lehrenden Entspannung schaffen und Orientierung geben:
Mit welchem Anliegen warten die Studierenden? Wer braucht „nur“ eine Unterschrift? Welche zeitlichen Verabredungen können getroffen werden? - Es bietet sich auch die Möglichkeit einen Teil der „Offenen Sprechstunde“ nur für eher formale Anliegen und Fragen zu reservieren.
- Sind Wartezeiten unvermeidbar, kann durch Sitzmöglichkeiten – eventuell auch mit interessanten Informationsangeboten – das Warten erleichtert und die Situation entspannt werden.
„Stellen Sie sich vor, Sie haben Sprechstunde und sechs Studierende stehen vor der Tür …“7 Ist der Andrang häufig groß, kann die Situation zum Anlass genommen werden nach Lösungen zu suchen, um für die Studierenden zufriedenstellende und für Lehrenden machbare Beratungsmöglichkeiten zu finden. Durch Dokumentation (Anzahl, Anlässe und Zeiten) kann man sich einen Überblick verschaffen.
Eine Einführung einer verlässlichen Terminvergabe kann eine erste mögliche Hilfe sein.
Sprechstunde mit Terminvergabe …
sind zeitlich strukturiert. Dies verringert Wartezeiten bei Studierenden und macht gleichzeitig für die Lehrenden die Anzahl der Beratungsgespräche kalkulierbar. Die Vergabe von Terminen bringt jedoch auch die Verpflichtung mit sich, dass Lehrende sich an die vergebenen Zeiten halten. Die vereinbarte Zeit schafft für beide Seiten einen verbindlichen Rahmen.
Aufgabe des Lehrenden ist die Anliegensklärung und Steuerung des Gesprächs.
Diese Klärung am Anfang ist notwendig, damit Lehrende und Studierende mit einer realistischen Erwartungshaltung in das Gespräch gehen.
Anregung: Online-Terminvergabe
Termine können durch Eintragung in eine Liste oder auch online organisiert werden. Das bringt einige Vorteile mit sich. Dabei kann die Möglichkeit angeboten werden, dass der/die Studierende zwischen einem Zeitbudget von 5 bis 15 Minuten wählen kann. Der*die Lehrende kann den Gegenstand der Beratung erfragen. Dies ermöglicht ein „Vordenken“ und ggf. auch eine gezielte Vorbereitung. Der/die Studierende selbst wird durch Wahl der Zeit und Benennung des Gegenstands „mit in die Verantwortung genommen“.
Ein Lehrender begründet die Wahl der Online-Anmeldung für die Studierenden und die Vorteile wie folgt:
„PS: Übrigens habe ich mich aus folgenden Gründen für dieses Online-Verfahren entschieden:
- Transparenz für Sie: Sie können sich jederzeit selbst einen Überblick verschaffen.
- Anmeldung vom digitalen Arbeitsplatz aus möglich: Sie müssen nicht extra an die Uni.
- Entlastung des zentralen Sekretariats durch weniger Telefonate bzw. Publikumsverkehr.
- Transparenz für mich: Ich kann mich am Vortag von zu Hause aus vorbereiten und beispielsweise noch Ihre Hausarbeit korrigieren, wenn dies für den Termin erforderlich sein sollte.“8
Beratung per Mail und Telefon
Gerade bei der Wahl dieser Kommunikationsformen ist die Gefahr groß, dass es zu einer Überflutung von Anfragen kommt. Schriftliche Informationsweitergabe ist immer zeitaufwändig. Wird das Beratungsangebot per Mail angeboten, steht der Lehrende in der Verantwortung einen Weg zu finden auf die einzelne Anfrage verlässlich zu reagieren und Studierenden orientierende und weiterführende Antworten zu geben.
Hilfreich ist eine gute Organisation und klare und transparente Regelung zur Strukturierung der Mailanfragen.
Beratung per Telefon? Das ist eine Frage, auf die jede*r Lehrende eine eigene Antwort finden muss. Damit eine telefonische Beratung wirksam und hilfreich ist braucht eine klare Regelung und Ansage:
Bei der Telefonberatung ist zu bedenken:
- Telefonberatung braucht eine feste Zeit. Der Anrufbeantworter gibt entsprechende Hinweise
- Die Möglichkeit eine Nachricht zu hinterlassen wählen Sie nur, wenn sie auch die Zeit nehmen wollen zurückzurufen.9
Chatberatung
In einer Fortbildung mit einer Gruppe von Studienfachberater*innen an der RUB stand die Frage zur Diskussion: „Müssen wir unsere Beratungsangebot nicht mal updaten?“
Chatberatung ist – um bei der Frage zu bleiben – eine Form des Updatens. Sie holt viele Studierende bei ihrem Kommunikationsverhalten ab. Die Frage ist jedoch: Ist das Medium auch stimmig für den Lehrenden?
Es empfiehlt sich, Chatberatung nur als Angebot zu wählen, wenn der Lehrende selbst diese Kommunikationsform auch in anderen Kontexten nutzt. Chatkommunikation verbindet schriftliche Information und eine gewisse Mündlichkeit (‚schreib wie du sprichst‘). Im Gegensatz zur Beratung per Mail sind Lehrende als Berater*innen und Studierende als Ratsuchende gleichzeitig online. Im Fachjargon wird von einem „synchronen“ Beratungssetting gesprochen.
Anregung:
- Selbst auch einfache und gesprochene Sprache verwenden. Dies nimmt die Hürde und lädt zum Sprechen per Schreiben ein.
- Der*die moderierende Berater*in muss den Faden in der Hand behalten und das eigentliche Thema nicht aus den Augen zu verlieren.
- Die Fragen sollten nicht zu komplex sein, da beim Chaten häufiger Missverständnisse auftreten
- Ergebnisse aus dem Chat mit dem Studierenden am Ende kurz zusammenfassen.
- Chatberatung kann keine persönliche Beratung ersetzen und sollte ein ergänzendes Angebot bleiben
Gruppenberatungen
Nicht alle Beratungen und Informationen brauchen eine Einzelberatung. Bei vielen Themen ist eine Gruppe hilfreich und gewinnbringend. Eine erfolgreiche Beratung in der Gruppe braucht gemeinsame Themen und Anliegen.
Anlässe können die verschiedenen Phasen des Studiums, wie z.B. Anfangsphase oder Prüfungsphase sein und können der Information und gemeinsamen Orientierung dienen. Gruppenberatung kann aber auch zielgerichtet als methodisch-didaktisches Angebot in das Lehrkonzept für Themenfindung zu Hausarbeiten, inhaltliche Absprachen, Rückmeldung und Feedback zu Referaten oder Vorbereitung von Prüfungen eingebaut werden.
Gruppenangebote fördern die sozialen Beziehungen der Studierenden untereinander. Immer noch ist Vereinzelung und Anonymität an den Universitäten ein Problem. Wenn es gelingt eine gute und vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, kann Gruppenberatung ein hilfereiches Angebot sein.
Anregung:
- Zum Gelingen hilft eine gute Balance in der Gruppenarbeit zwischen Arbeit am Thema, Fragen und Anliegen der einzelnen und Austausch und Interaktion in der Gruppe.
- Steht der Informationsaustausch im Vordergrund, dann kann mit Hilfe der Moderation und aktivierender Methoden ein strukturiertes Arbeiten ermöglicht werden, z.B. durch Sammeln von Fragen und Clustern bei Themen, nach dem Informationsvortrag „Murmelgruppen“ zur Vertiefung, Verständnis- und Klärungsfragen im Plenum
- Gruppenberatung kann auch als Peergruppe organisiert werden
„Offener Raum“ im Anschluss an das Seminar oder die Vorlesung
Die Seminare und Vorlesungen sind der Ort, an dem sich Studierende und Lehrende regelmäßig sehen und miteinander in Kontakt sind. Häufig ergeben sich im Anschluss ungeplant anregende Gespräche mit den Studierenden. Es ist eine gute Möglichkeit, die informelle Beratungssituation aufzunehmen und als „Offenen Raum“ für Fragen und Kurzberatung zu institutionalisieren.
Anregung:
- Zeit einplanen, festlegen (z.B. 15 Minuten) und den Studierenden anbieten
- Nicht zu formal gestalten, der Situation den „Charme“ von Pausen lassen
- Organisation anlehnen an die Idee von einer “systematischen Kaffeepause“ „Tür- und Angelgespräche“
„Der Ausdruck entspricht der Redewendung „zwischen Tür und Angel“… Laut Duden meint „zwischen Tür und Angel“ eine „eilige, nur flüchtig zusammentreffende“ Begebenheit10.
Tür- und Angelgespräche – dieser Begriff wird in Universitäten nicht verwandt. Trotzdem gibt es diese „eiligen, nur flüchtig zusammentreffenden“ Begebenheiten auf den Fluren, in der Mensa oder vor oder nach Veranstaltungen.
Diese Situationen bieten kein Setting für Beratung. Sie dienen aber einer kurzen Kontaktaufnahme, dem Austausch von aktuellen Informationen ( „Ich habe meine Hausarbeit fertig!“) und sind vor allem wichtig für die Beziehungsstärkung. Tür- und Angelgespräch wirken als Türöffner für eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Beratung innerhalb von Mentor*innenprogrammen
Das Mentor*innenprogramm dient der individuellen Betreuung und Förderung der Studierenden vom Studienstart bis zum Abschluss des Studiums. Bindung zwischen Studierenden und Lehrenden sind durch das Programm institutionalisiert. Beratungsgespräche finden regelmäßig statt. Ablauf, Inhalte und Dokumentation sind in einem Gesamtkonzept festgelegt.
Wie genau Mentor*innenprogramme funktionieren, kann hier nicht weiter beschrieben werden. An der Ruhr-Universität gibt es einige erfolgsversprechende Bespiele. In der Handreichung „Wissen, was zählt“ finden Sie dazu einen anschaulichen Beitrag aus dem Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum11.
Fazit aus dem Programm: „Zeit ist ein immer knapper werdendes Gut für alle, aber in Mentorengespräche investierte Zeit ist sinnvoll angelegt.“12
5. Beratungsleistungen mit Studierenden kommunizieren
Untersuchungen bestätigen, dass Kontakte der Lehrenden zu den Studierenden, ihre Beratungsleistungen und Rückmeldungen ein wichtiger Beitrag zum Erfolg des Studiums sind.
Umso wichtiger ist, dass möglichst viele Studierende das Angebot der Begleitung und Beratung erreicht. Ein Beitrag dazu ist, dass Lehrende ihr Beratungsangebot noch mehr als bisher transparent machen und zu Beginn der Zusammenarbeit mit dem Studierenden in Seminaren oder Vorlesungen kommunizieren. Dies schafft Orientierung und Transparenz und kann Studierende ermuntern das Angebot häufiger zu nutzen. Lehrenden erspart es Nachfragen und damit auch Zeit. Zu der Information gehören auch Bedingungen die Lehrende für eine gute und konstruktive Zusammenarbeit formulieren (Vorbereitung, selbständige Informationsbeschaffung, …)
6. Beratung in das Netzwerk einbinden
Viele Anfragen gehören nicht in die Sprechstunden der Lehrenden. Zur eigenen Beratungsentlastung und zielgerichteten Beratung der Studierenden ist die Vernetzung mit dem Beratungssystem notwendig.
Rund um das Studium ist an der Ruhr-Universität Bochum ein Netz von Beratungsangeboten und Unterstützungsmöglichkeiten entstanden. Lehrende können dies nutzen und müssen sich als Teil davon verstehen.
Anregungen:
- Einen Überblick verschaffen: Was gibt es in der Fakultät? Welche Möglichkeiten der Beratung gibt es darüber hinaus?
- Kontaktperson und Kontaktadressen kennen und für die Beratung präsent haben14
- Kontakte zu zuständigen Studienfachberater*innen knüpfen und den „kurzen Draht“ der Zusammenarbeit ermöglichen.
- Auf der eigenen Homepage einen Link zur Allgemeinen Studienberatung und Fachberatung hinterlegen.
- Vgl: Kemper, M. (2010): Beratung von Studierenden. In: IFB, RUB (Hrsg.): Wissen, was zählt! / Ideen für die Lehre, Bochum.
- http://www.ruhr-uni-bochum.de/leitbild-lehre/grafiken/leitbild_lehre.pdf. Stand: 03.12.2012
- Ida Matsch, Lehramtsstudierende. In: IFB, RUB (Hrsg.): Wissen, was zählt, Ideen für die Lehre, S. 154
- Aus einem vorbereitenden Gespräch einer Studentin (nicht RUB), die Anonym bleiben möchte.
- Just-Nietfeld, J./Kayser, B. (2003): Allgemeine Studienberatung – Beratung zur Mündigkeit. In: Pädagogische Beratung, Kraus, Ch. / Fittkau, B. /u.a.(Hrsg.), Weinheim und Belz, 2003, S.229
- http://www.uni-bielefeld.de/ew/scs. Stand: 03.12.2012
- Vgl. Kemper, M. ( 2010): Beratung von Studierenden. In: IFB, RUB (Hrsg.): Wissen, was zählt! / Ideen für die Lehre, Bochum, S. 155 – 159
- Prof. Dr. Markus Klaus Schäffauer, Universität Hamburg, http://www.mkschaeffauer.de/. Stand: 03.12.2012
- Vgl. Information für Studienberaterinnen und Studienberater, www.rub.de/zsb
- http://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%BCr-und-Angel-Gespr%C3%A4ch
- Dr. Thomas Held in: Wissen, was zählt, Ideen für die Lehre, S. 150 – 153
- Dr. Thomas Held in: Wissen, was zählt, Ideen für die Lehre, S. 153
- http://www.bmbf.de/pub/bachelor_zwischenbilanz_2010.pdf, S.45. Stand: 03.12.2012
- http://www.ruhr-uni-bochum.de/st-beratung/Handbuch_Studienberater.pdf