Funktionen von Prüfungen

20. November 2020

Prüfungen gehören zum Alltagsgeschäft von Hochschulen. Dennoch wird selten explizit zwischen unterschiedlichen Ausrichtungen und Funktionen von Prüfungen unterschieden (Müller & Schmidt, 2009). Eine Möglichkeit der Systematisierung von Prüfungsfunktionen ist die Unterscheidung von Flechsig (1976). Sie beinhaltet drei Kategorien von Funktionen, die wiederum in insgesamt elf Funktionen unterteilt werden können.

 

summativ

formativ

Herrschafts- und Sozialisierungsfunktion (Systemreproduktion)

x

 

Initiation

Statusverteilung

Legitimation

Rekrutierungsfunktion (Selektion, Auswahl, Zuordnung, Linearisierung)

x

 

Platzierung in Kohorte

Auslese aus Kohorte

Qualifikations- und Kompetenznachweis

Didaktische Funktion (Systemoperationen)

x

x

Zeitliche und inhaltliche Gliederung des Studiengangs

Orientierung der Lehrenden und Lernenden über die Studienziele

Extrinsische Lernmotivation

Diagnoseinstrument

Rückmeldung des Lehr-Lernerfolgs an Lehrende und Lernende

Tabelle: eigene Darstellung einer Systematisierung von Funktionen von Prüfungen nach Flechsig (1976), basierend auf Müller & Schmidt (2009)

Herrschafts- und Sozialisierungsfunktion

Die Kategorie Herrschafts- und Sozialisierungsfunktion fasst Funktionen von Prüfungen im Sinne einer Systemreproduktion zusammen. Vorhandene Macht- und Statuskonstellationen werden erhalten, legitimiert und reproduziert.

Rekrutierungsfunktionen

Für die zweite Kategorie von Funktionen gibt es mehrere mögliche Titel, Flechsig hat sie „Rekrutierungsfunktion“ genannt. Inhaltlich geht es stets um eine Auswahl, z.B. mittels eines vorab festgelegten Kriteriums. Summative Prüfungen, d.h. eine Prüfung zum Semester- oder Modulabschluss mit dem Ziel einer Note, sind sowohl den Herrschafts- und Sozialisierungsfunktionen als auch den Rekrutierungsfunktionen zuzuordnen.

Didaktische Funktionen

In der Kategorie der didaktischen Funktionen hat Flechsig fünf Funktionen von Prüfungen zusammengefasst. Prüfungen dienen demnach als zeitliche und inhaltliche Gliederungs- und Orientierungspunkte, sie geben sowohl den Lernenden, als auch den Lehrenden eine Orientierung über die Studienziele und deren Erreichung, sie motivieren Studierende extrinsisch zum Lernen, und sie erlauben „aus diagnostischer Perspektive Rückschlüsse auf bis dato realisierte Lern- und Bildungsprozesse sowie mögliche künftige Verbesserungsmaßnahmen“ (Müller/ Schmidt, 2009). So sind zum Beispiel diagnostische Tests der Fremdsprachenkompetenz zur Einstufung in entsprechende Niveaustufen als didaktisches Instrument zu sehen. Auch summative Prüfungen können didaktische Funktionen erfüllen.

Ein besonderes Augenmerk bei didaktischen Funktionen von Prüfungen liegt jedoch auf formativen Assessments. Insbesondere in der Funktion der Rückmeldung des Lehr-Lernerfolgs steckt eine Entwicklungsperspektive. Studierende, aber auch Lehrende erhalten über Prüfungsergebnisse eine Rückmeldung über den Erfolg des Lernens bzw. Lehrens. Diese Funktion lässt sich als formative Bewertung kategorisieren.