Funktionen und Potentiale von Fragen
Wenn Lehrende im Lehr- und Lerngeschehen Fragen stellen, dann erfüllen diese unterschiedliche Funktionen. Mit Fragen werden Lerninhalte organisiert, aber sie stellen auch den Rahmen für das Denken und Handeln der Lernenden dar; sie lassen sich also nach dem Zweck oder dem kognitiven Anspruchsniveau unterteilen (vgl. Dubs 1995, Franck 2017).
Hier lassen sich acht Funktionen von Fragen unterscheiden:
- Fakten und Infos in Erinnerung rufen
- Diagnose und Kontrolle
- Lernen lenken / strukturieren
- Gesprächsführung
- Aufmerksamkeit / Interesse herbeiführen
- Denkprozesse anregen
- Vorkenntnisse der Lernenden erkunden
- affektives Ausdrücken
(Harth 2015, S. 33)
Als Lehrende*r können Sie Ihre bestehenden Fragen für eine Lehrveranstaltungs-Sitzung dahingehend überprüfen, welche Funktion die Frage in der vorgesehenen Lehr-Sequenz erfüllen soll. Eine Frage kann auch mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen, da diese nicht trennscharf sind.
Dazu einige Beispiele mit Formulierungshilfen:
- Fragen zur Zielsetzung: Was ist das Problem? Warum beschäftigen wir uns damit?
(Funktionen: Aufmerksamkeit / Interesse herbeiführen; affektives Ausdrücken)
- Fragen zum kognitiven Prozess: Wie kann das Problem (schrittweise) erklärt werden?
(Funktionen: Lernen lenken / strukturieren; Denkprozesse anregen)
- Fragen zur Aktivierung von Vorwissen: In welchem Zusammenhang steht dieses Problem oder der Sachverhalt zu dem, was die Woche davor erarbeitet/erlernt wurde?
(Funktionen: Fakten und Infos in Erinnerung rufen; Vorkenntnisse der Lernenden erkunden; Diagnose und Kontrolle)
- Fragen zur Fokussierung auf einen bestimmten Aspekt/Teil: Bei genauer Analyse dieses Problems/Sachverhalts stellen wir fest, dass… Was sind die Folgen?
(Funktionen: Lernen lenken / strukturieren; Denkprozesse anregen; Gesprächsführung)
- Fragen zur Klärung des Verständnisses der Lernenden: Ist der Zusammenhang klar? Sollen wir das Problem mit einer anderen Vorgehensweise/ aus einer anderen Perspektive analysieren?
(Funktionen: Diagnose und Kontrolle; Lernen lenken / strukturieren)
(Dubs 1995, S. 97)
Kriterien guter Fragen:
- Die Frage ist klar und eindeutig formuliert.
- Die Frage ist kurz und zielstrebig formuliert.
- Die Frage enthält keine suggestiven Formulierungen.
- Die Frage ist auf das Niveau der Lerngruppe angepasst.
- Die Frage verbindet Neues mit Bekanntem / früher Gelerntem.
(Harth 2015, S. 34)
Wenn Sie sich die Kriterien für die Formulierung von Fragen immer wieder vor Augen führen, können Sie nicht nur neue Fragen für die Lehre erstellen, sondern auch bereits bestehende Fragen dahingehend überprüfen. Wichtig für eine gute Fragetechnik ist zudem, sich über das Lernziel klar zu werden. Denn dann können Sie auch gute Fragen für Prüfungen entwickeln. Im Kapitel „Fragen auf Lernzielstufen“ erfahren Sie mehr dazu.
Potentiale von Fragen
Fragen können inhaltlich auf unterschiedlichen Komplexitätsstufen liegen. Arn (2017) differenziert zwischen Kontrollfragen, Klärungsfragen und Kreierenden Fragen (ebd., S. 156). In der Reihenfolge dieser Nennung steigt das Potential, das eine Frage innehat, um Neues hervorzubringen.
- Kontrollfragen, die schlicht mit richtig oder falsch beantwortet werden können, dienen der reinen Wiederholung, ohne neue Ideen anzustoßen.
- Klärungsfragen sorgen für Ordnung der Gedanken. Dabei können auch neue Gedanken aufkommen. Klärungsfragen sind Fragen, bei denen die Vorstellungen und Ideen der Gefragten im Mittelpunkt stehen. So zum Beispiel bei der Frage: „Was hättest Du für eine Idee, wie man Fragen klassifizieren kann?“
- Kreierende Fragen haben die höchste Generativität, also das Potential, etwas Neues zu schaffen. Eine beispielhafte kreierende Frage lautet: „Was können wir als nächstes tun, um …?“
Kurz: Mit Kontrollfragen werden Richtigkeiten abgefragt, mit Klärungsfragen werden Gedanken sortiert, mit kreierenden Fragen werden neue Gedanken angeregt.
Als Faustregel gilt:
„Dinge, die man hören will, schlicht und ergreifend nicht fragen, sondern selbst sagen. Dann hört man sie ja auch.“ (Arn, 2017, S. 159)