Interaktion in Kleingruppen: Lernförderliche Interaktionsmuster

Die Lehr-Lern-Forschung hat eine Reihe von Lernaktivitäten identifiziert, die während des kooperativen Lernens auftreten und zu tiefenorientiertem Lernen führen. Alle diese Aktivitäten machen sich den Umstand zu Nutze, dass das Wissen in einer Kleingruppe unterschiedlich verteilt ist, dass Gruppenmitglieder also unterschiedlich viel Wissen zu einem Thema haben, und möglicherweise unterschiedliche Expertisen mitbringen. In einer Kleingruppe müssen die Lernenden miteinander interagieren, wodurch bestimmte Lernaktivitäten wahrscheinlicher werden.

In diesem Abschnitt beschreiben wir die zentralsten Interaktionsmuster, die mit Lernen in Kleingruppen assoziiert sind. Wissen darüber, welche Aktivitäten besonders lernförderlich sind, kann nützlich sein, Gruppenarbeit gezielt zu gestalten.

Umfangreichere Übersichten zu lernförderlichen Interaktionsmustern finden sich etwa bei King, 2007 oder Nokes-Malach et al., (2015; 2019).

Zusammenhänge erklären

In Situationen, in denen Gruppenmitglieder unterschiedlich viel Fachwissen zu einem Thema haben, kann es geschehen, dass Gruppenmitglieder sich gegenseitig Inhalte erklären. Erklären ist eine sehr effektive Lernaktivität und hat zwei lernförderliche Funktionen. Erstens ist das Geben von Erklärungen eine äußerst wirksame kognitive Lernstrategie. Dies lässt sich auf den gut belegten self-explanation effect (Bisra et al., 2018) zurückführen: Das Erklären hilft dabei, das eigene Verständnis zu vertiefen, indem Zusammenhänge zwischen Konzepten aus dem Gedächtnis abgerufen werden und erklärt werden. Zudem können Lernende eigene Beispiele erfinden oder Theorien auf lebensweltliche Probleme anwenden. Durch diese Aktivität kann die erklärende Person das abgerufene Wissen stärker mit anderen Gedächtnisinhalten verknüpfen und dadurch festigen. Das Erhalten von Erklärungen ist auch lernförderlich, allerdings sind die Effekte des Gebens von Erklärungen deutlich größer.

Zweitens hat das Geben von Erklärungen auch eine metakognitive Funktion. Im Sinne von „Wer etwas nicht erklären kann, hat es noch nicht verstanden“ hilft Erklären, Wissenslücken aufzudecken. In einer Gruppe können Studierende diese Lücken gemeinsam identifizieren und schließen, was zu einem tieferen Verständnis des Themas führt.

Diskutieren

Neben dem Erklären bietet kooperatives Lernen auch die Gelegenheit für Wissens-Ko-Konstruktion, insbesondere in Form der argumentativen Wissenskonstruktion (siehe z.B. Kimmerle et al., 2021). Entscheidend hierbei ist, dass die Lernenden ihr Wissen nicht nur durch das Erklären einzelner Gruppenmitglieder vertiefen, sondern gemeinsam aufbauen und weiterentwickeln. In Diskussionen tragen die Gruppenmitglieder ihre unterschiedlichen Perspektiven bei, hinterfragen gegenseitig ihre Argumente und entwickeln so eine tiefere und umfassendere Verständnisbasis. Ein besonders relevantes Merkmal dieses Prozesses ist die Transaktivität (Weinberger & Fischer, 2006). Transaktivität beschreibt den Umstand, dass die Gruppenmitglieder aktiv auf den Beiträgen der anderen Gruppenmitglieder aufbauen und diese weiterentwickeln. So kann ein Gruppenmitglied etwa einen Gedanken oder ein Argument eines anderen aufgreifen, ergänzen oder kritisch hinterfragen. Durch diesen transaktiven Prozess wird das ursprüngliche Argument verfeinert, hinterfragt, aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und möglicherweise werden bisher widersprüchliche Aussagen miteinander vereint. All dies führt zu einer tieferen und differenzierteren Analyse des Lerngegenstandes und erlaubt es der Gruppe, Wissen zu konstruieren, was für die einzelnen Gruppenmitglieder allein nicht erreichbar gewesen ist.

Cross-cueing

Cross-cueing (Nokes-Malach et al. 2015; 2019) beschreibt die Möglichkeit, durch Beiträge andere Gruppenmitglieder anzuregen, weiteres Wissen oder Erinnerungen abzurufen, die sie sonst möglicherweise nicht aktiviert hätten. Dies kann zum Beispiel geschehen, wenn in einer Diskussion ein Aspekt erwähnt wird, der eine andere Person an ein verwandtes Thema erinnert, das dann eingebracht wird. So entsteht eine dynamische und bereichernde Lernumgebung.

Kognitives Modellieren

Beim kognitiven Modellieren (cognitive modeling) geht es darum eine bestimmte Strategie vorzumachen und diese zu erläutern bzw. laut zu denken. Andere Gruppenmitglieder können sich diese Vorgehensweise „abgucken“ und in ihr eigenes Repertoire aufnehmen. Ein Beispiel könnte sein, dass ein Studierender in einer Mathegruppe zeigt, wie er eine Gleichung löst und dabei laut über die gedanklichen Problemlöseschritte nachdenkt. Die anderen können diese Methode dann adaptieren und auf ähnliche Probleme anwenden.

 

Wie Sie kooperative Lernszenarien so gestalten können, damit diese Interaktionsmuster auftreten, beschreiben wir im nächsten Abschnitt.

 

Tipps auf einen Blick

  • Bilden Sie maximal 5er-Gruppen, damit sich alle Gruppenmitglieder einbringen können.
  • Regen Sie Ihre Studierenden dazu an, Fragen zu stellen und sich gegenseitig Inhalte zu erklären.
  • Stellen Sie sicher, dass sich die Studierenden beim Ideensammeln nicht gegenseitig unterbrechen (siehe „Brain Writing Pool“).