Was ist „kooperatives Lernen“?

28. Oktober 2024

Dillenbourg definiert kooperatives Lernen als „[…] eine Situation, in der zwei oder mehr Personen versuchen, zusammen etwas zu lernen“ (Dillenbourg, 1999, p. 1), Übersetzung aus dem Englischen). Diese Minimaldefinition umschreibt vor allem die Rahmenbedingungen und Ziele des kooperativen Lernens. Weitere Definitionen, etwa wie die von Roschelle and Teasley (1995), nehmen stärker den Prozess in den Blick und beschreiben kooperatives Lernen als „[…] eine koordinierte, synchrone Aktivität, die aus dem kontinuierlichen Versuch hervorgeht, ein gemeinsames Verständnis eines Problems aufzubauen und aufrechtzuerhalten“ (S. 70, Übersetzung aus dem Englischen).

Manchmal begegnet uns kooperatives Lernen auch unter dem Begriff kollaboratives Lernen. Daher möchten wir auf diese Trennung kurz eingehen. Die Struktur der Aufgabe, die eine Gruppe bearbeiten soll, kann verschiedene Formen der Zusammenarbeit erfordern, was im englischen Sprachraum zur begrifflichen Trennung von cooperative learning und collaborative learning geführt hat (Dillenbourg, 1999). Cooperative learning bezeichnet den Umstand, dass Lernende ein gemeinsames Problem in voneinander unabhängige Elemente aufteilen (können), diese jeweils individuell bearbeiten und abschließend zu einem gemeinsamen Endprodukt zusammenfügen. Das gemeinsame Arbeitsergebnis besteht hier aus der Summe der individuell erarbeiteten Teillösungen. Im Kontrast dazu fokussiert der Begriff collaborative learning den über-additiven Charakter von Kooperation: Statt das individuelle Wissen der Gruppenmitglieder zusammengetragen, wird innerhalb eines gemeinsamen Bezugsrahmens neues Wissen konstruiert, das über das Wissen der individuellen Gruppenmitglieder hinausgeht. Solche Situationen sind dadurch gekennzeichnet, dass alle Gruppenmitglieder ein gemeinsames Ziel verfolgen und sich aktiv einbringen müssen, damit die Gruppe ihr Ziel erreichen kann. Die Gruppenmitglieder stehen in einem positiven Abhängigkeitsverhältnis voneinander (soziale Interdependenz, Johnson & Johnson, 2009; mehr dazu später in diesem Beitrag).

Dies ist allerdings eine analytische Trennung; in der Realität umfassen Gruppenarbeiten häufig beide Formen der Zusammenarbeit (mehr dazu finden Sie bei Kreijns et al., 2003). Da der Begriff „Kollaboration“ im Deutschen allerdings negativ konnotiert ist, hat sich diese begriffliche Trennung im deutschen Sprachraum nicht flächendeckend durchgesetzt. In unserem Beitrag verstehen wir unter Gruppenarbeit, oder kooperativem Lernen, das collaborative learning, also Situationen, in denen Lernende gemeinsam versuchen, ein Lernziel zu erreichen und dafür interaktiv Wissen ko-konstruieren. Im Folgenden verwenden wir die Begriffe Gruppenarbeit und kooperatives Lernen synonym.

Nach dieser kurzen Definition des Begriffs möchten wir darauf eingehen, welches Wissen im Rahmen von kooperativem Lernen erworben werden kann. Außerdem beschreiben wir, für welche Lernziele kooperatives Lernen nicht geeignet ist.