Constructive Alignment
Oft werden Prüfungen unabhängig vom Lernprozess gedacht. Zuweilen ist dies möglich (wie z. B. bei der Führerscheinprüfung), weil das Kompetenzfeld hinreichend klar definiert werden kann (z. B. über die Gesetzesgrundlagen). Auf diese Weise findet sozusagen eine fast verlustfreie Kommunikation zwischen Lehrenden und Prüfenden statt. Wo dies nicht möglich ist – und dies ist in der Hochschullehre häufig der Fall – sollte gelten: „Wer lehrt, der prüft“ (Metzger 1998). Im Grunde geht es um eine Klärung der Erwartungen, die an den Prüfling gestellt werden. Die Person, die die Prüfung abnimmt oder „korrigiert“, sollte zum Zwecke einer gültigen und validen Prüfung die gleichen Sollvorstellungen haben wie die Person, die die Lehre gestaltet hat.
Um Lehren, Lernziele und Prüfungen in Einklang zu bringen, kann das Modell des Constructive Alignment (vgl. exemplarisch Wildt/Wildt 2011; Biggs/Tang 2011) Unterstützung bieten:
Wenn als Lernziele oder Learning-Outcomes1 (z. B. in einem Modulhandbuch oder einer Veranstaltungsbeschreibung) anspruchsvolle Kompetenzen formuliert werden, jedoch in der Prüfung nur Wissen (oder gar Schlagworte) abgefragt werden, kann es den Lernenden sinnvoll erscheinen nicht ernsthaft am Lernprozess teilzunehmen, sondern sich nur auf das Auswendiglernen der Schlagworte zu konzentrieren. Lehren/Lernen, Lernziele und Prüfung sind dann nicht im Gleichgewicht, nicht konstruktiv aneinander ausgerichtet.
Vielmehr sollten die Lernziele den Studierenden nicht nur transparent gemacht, sondern auch gezielt gefördert und entsprechend geprüft werden. Dabei ist es sinnvoll, wenn Sie sich als Lehrende*r an Handlungsanforderungen orientieren, welche die Lernenden nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildungen bewältigen können sollten. Wenn in der Lehrerbildung eine Veranstaltung das Ziel hat, Wirtschaftsunterricht zu gestalten, können Sie als Lehrende*r dieser Veranstaltung bereits im ersten Semester daran arbeiten, Ihren Studierenden die Planung eines solchen Unterrichts näher zu bringen, indem Sie ihnen einen Ausschnitt aus einem Lehrplan vorlegen, an dem sie kleine Einheiten eigenständig skizzieren oder gestalten sollen. Im ersten Semester werden die Ergebnisse zunächst keine besonders hohe didaktische Qualität und Reflexionstiefe haben, aber die Studierenden erleben bereits viele Herausforderungen, die sie später einmal bewältigen müssen. Im Laufe der Veranstaltung lassen sich dann einige Aspekte vertiefen (beispielsweise begründete Methodenwahl, Lernprozessunterstützung, Motivation). Damit werden bereits Lehr-Lernprozess und Lernziele/Learning-Outcomes harmonisiert. Die Prüfung könnte schließlich aus der Aufgabe bestehen, eine Unterrichtseinheit für ein bisher noch nicht behandeltes Teilgebiet zu planen und nach bestimmten didaktischen Kriterien oder Modellen zu begründen und zu reflektieren. Damit stünden dann Lehre, Outcomes und Prüfung in einem ausgeglichenen Verhältnis und wären aufeinander bezogen.
Das Constructive Alignment ist ein theoretisches Konstrukt und bildet ein didaktisches Ideal ab, so dass Sie als Lehrende*r sich diesem meist nur annähern und es nicht zu 100 Prozent erfüllen können. Gleichzeitig bietet es aus den bereits beschriebenen Gründen viele Vorteile für die Lehre, sowohl für Sie als auch für die Studierenden.
- Die Begriffe „Lernziel“ und „Learning-Outcome“ werden nicht immer klar verwendet. Während „Lernziel“ jedoch eher ein angestrebtes Ziel bezeichnet, kann man unter „Outcome“ vielmehr das verstehen, was tatsächlich gelernt wurde.