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Science Slam als innovative Prüfungsform

Im Master Biodiversität der Ruhr-Universität Bochum (RUB) wird das Format Science Slam jährlich als Prüfungsform genutzt. Wie Lehrende und Studierende die Vorbereitungen und die Veranstaltung umsetzen, welche Kompetenzen geprüft werden, wer die Präsentationen nach welchen Kriterien beurteilt, und worauf Lehrpersonen achten sollen, wenn sie so prüfen möchten, erzählt Prof. Dr. Dominik Begerow von der Fakultät für Biologie und Biotechnologie der RUB, verantwortlich für diese Prüfung. Drei Studierende berichten von ihren Erfahrungen mit dem Science Slam. Das Video entstand 2019 im BlueSquare Bochum und auf dem Campus der Ruhr-Universität.

Transkript zum Video

[00:12-00:46] Prof. Dr. Dominik Begerow: „Der Science Slam ist eine ganz neue Form, die wir ein bisschen angelehnt haben an Poetry Slams und Science Slams. Wir haben eine Form gewählt, die sehr kurz ist. Die Studenten haben 300 Sekunden Zeit, also ganz genau fünf Minuten, ein wissenschaftliches Thema darzustellen, um es auch einem Laien-Publikum klar zu machen. Die Studierenden suchen sich die Themen selbst aus, sie bereiten sich im Team, vor allem mit den Studierenden des vorherigen Semesters, vor. Wir geben nur die kurzen Impulse und dann haben wir eben einen Abend, wo wir die Slams hintereinander durchführen und mit dem großen Publikum anschließend bewerten.“

Eingeblendete Frage: Welche Kompetenzen prüfen Sie mit dieser Prüfungsform?
[00:47-2:00] Prof. Dr. Dominik Begerow: „Das Schöne am Science Slam ist, dass wir ganz unterschiedliche Kompetenzen untersuchen können, also – oder überprüfen können. Wir gucken natürlich Komm-Kommunikationskompetenz, Präsentationskompetenz, aber auch Interaktionen, ein bisschen mit dem Publikum. Wir gucken aber natürlich auch, wie können sie sich wissenschaftlichen Themen nähern – Themen, die sie vielleicht noch nie bearbeitet haben, erschließen und wieder darstellen, also das Zitieren von neuen Daten und neuen Informationen, Themen, und das wiedergeben. Damit sind wir sehr nah dran an dem zu sehen, was Studierende eigentlich über ihr Thema denken. Sie können es ethisch bewerten. Sie können damit sehr viele verschiedene Kompetenzen eben abdecken. Diese Kompetenzen sind vor allem wichtig, dass die Studierenden innerhalb des Studiums besser miteinander und mit uns als Professoren kommunizieren. Zum anderen natürlich ist es auch eine Prüfungsform, die schon auch zielt, wo gehen die Studenten hinterher hin, also was machen sie hinterher mit dem Studium. Wie sieht ein Berufsbild hinterher aus. Frage jemanden, der den Master Biodiversität macht, da glauben wir, dass es eben viele Berufsbilder sind, die vor allem mit Kommunikation zu tun haben, mit Überzeugungskraft. Denken wir nur daran, dass wir eben Leute von Klimawandel, Umweltverschmutzung über-überzeugen möchten, dann brauchen wir Leute und Studierende, die eben ein Thema, ein wichtiges spannendes Thema, auch kurz und prägnant verständlich darstellen können.“

Eingeblendete Frage: Welche Vorteile hat die Prüfungsform?
[02:01-03:13] Prof. Dr. Dominik Begerow: „Aus unserer Sicht gibt’s insgesamt drei verschiedene Vorteile: Der erste Vorteil ist, dass wir die Prüfung nutzen, um Studierende verschiedener Semester miteinander ins Gespräch zu bringen. Wir haben an diesem Abend, an dem das stattfindet, immer die des ersten Jahrgangs quasi da, die die Prüfung selber machen. Wir haben die des zweiten, ein Jahr davor quasi, da, die coachen in der Vorbereitung die Prüflinge und wir haben den Abschlussjahrgang da, der kurz davor den Abschluss gemacht hat. Das sind die Prüfer eigentlich. Zusammen mit den Professoren nehmen wir die jungen Absolventen in die Prüfung mit rein und die Prüfungsbewertung und das ist natürlich ganz spannendes Moment, wo wir da großen Vorteil haben. Der zweite Vorteil ist natürlich, dass es wirklich eine sehr übergeordnete Prüfung ist, und der dritte Vorteil ist, glaube ich, wirklich dass es berufsorientiert den Studierenden sehr schnell klar macht, was sie dabei eigentlich lernen, wenn sie sich auf so eine Prüfung vorbereiten. Ich find den Science Slam auch sehr schön, weil man doch eben 18 Leute innerhalb von einem Abend prüfen kann und eben nicht klassisch nur in Klausur, sondern sehr sehr viel breiter in den Kompetenzen. Diese Vorteile würde ich auf jeden Fall mitnehmen, die uns sehr sehr viel helfen viel zu lernen über die Studierenden, was ein wichtiger Punkt ist, meiner Einschätzung nach.“

Eingeblendete Frage: Nach welchen Kriterien bewerten Sie die studentischen Leistungen?
[03:17-03:58] Prof. Dr. Dominik Begerow: “Die Kriterien, nach denen wir prüfen, sind eigentlich auch sehr vielfältig. Wir gucken uns natürlich an, wie sieht die wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas aus. Wir gucken darauf, wie sieht die Darstellung aus. Können sie beim Zeitmanagement umkommen. Wie nahe kommen sie an die 300 Sekunden ran? Wie sieht ein Spannungsbogen aus? Können sie auch mit dem publikum zum beispiel über eine lustige Interaktion oder manchmal auch Abfragen und so weiter interagieren? Also das sind alles Sachen, die einfallen. Wir haben so ein Schema, wo bewertet wird, immer Kategorie eins bis drei pro Punkt quasi. Am Schluss werden die Punkte aufsummiert und da zwischen den verschiedenen Prüfern, die da sind, quasi dann am Schluss gemittelt und so entsteht dann die Note.”

Eingeblendete Frage: Welchen Aufwand bringt die Prüfung mit sich?
[04:01-04:22] Prof. Dr. Dominik Begerow: “Wir hatten dieses Jahr jetzt zum Beispiel 18 Prüflinge, dann ist es schon ein gewisser Aufwand, da kommen immer Freunde und Familie mit. Aber im Vergleich zu anderen Prüfungsformen ist sehr schön, zum Beispiel schnell korrigiert. Ich habe nicht eine Klausur, wo ich tagelang da sitz. Ich habe sehr klar konzentriert auf diesen Tag.” Eingeblendete Frage: Wie bereiten Sie die Studierenden auf die Prüfung vor? [04:26-06:02] Prof. Dr. Dominik Begerow: „Vorbereitet wurden die Studierenden auf die Prüfung auf zwei Ebenen: Auf der ersten Ebene geht es darum, mit den Studierenden Impulse zu setzen. Kurz nach Semesterbeginn machen wir klar, wie die Prüfungsform aussieht, geben raus was die Bewertungskriterien sind, und dann machen wir auch noch einmal klar, welche Lehrveranstaltungen im Laufe des Semesters eigentlich dafür da sind, auf diese Prüfungsformen vorzubereiten. Die haben ein Seminar zum Beispiel, scientific writing, wo es darum geht, dass sie sich mit Sprache und Themen auseinanderzusetzen. Sie haben eins zum zum Gestalten, da geht es vor allem um Postergestaltung, aber auch um Foliengestaltung für die Präsentation zum Beispiel. Wir haben natürlich unsere Vorlesungen, die sich inhaltlich mit der Biodiversität beschäftigen, und aus all diesen können sie sich Teile rausnehmen, um in diese Prüfung für sich selber zu legen. Dann haben wir ja die tolle Form, dass die Studierenden des vorhergehenden Semesters die Studierenden coachen, dass sie die Prüflinge coachen, und die haben meistens so 2,3 Treffen im Vorfeld, wo sie sich gemeinschaftlich auch zusammensetzen können, ihre Themen besprechen, sie können sich gegeneinander auch ein Stück weit die Vorträge üben und entwickeln können. Das ist was, was für uns als Lehrkörper natürlich heißt, wir ziehen uns da ein Stück weit zurück‘, gleichzeitig ist aber eine Vorbereitung, die in der Peergroup, natürlich ganz andere Möglichkeiten hat, wo ich als Dozent immer weit weg wäre, wo ich eben keine Möglichkeit habe, wo die Scheu kommt, kann ich das sagen, sage ich was Falsches, will das überhaupt jemand hören. In der Peergroup geht das viel besser und dadurch ist die Vorbereitung auf diesen Ebenen aus meiner Sicht exzellent, ich kann mir das für die Form fast nicht besser vorstellen.“

Eingeblendete Frage: Welche Tipps würden Sie anderen Lehrenden geben?
[06:07-07:01] Prof. Dr. Dominik Begerow: „Tipps für andere Kollegen ist gar nicht so einfach, weil es natürlich wirklich davon abhängt die Studierenden zu motivieren. Am Anfang ist die Hürde sehr hoch für die Studierenden. Die Vorstellung, öffentlich aufzutreten, ist sehr hoch und da hat es uns zum Beispiel sehr gut geholfen, die Jahrgänge miteinander zu verbinden. Und in dem Moment, wo es zu einer Tradition wird, wo also der ganze Studiengang weiß das ist so eines der Highlights im Studium, dann ist es was, was fast zum Selbstläufer wird. Auch die Bewerbung ist am Anfang, was auch erst sich etablieren muss. Wo bekommen wir ein Publikum her für so ein Thema? Wir machen es ja nicht an der Universität, wir gehen in den Blue Square. Wie kriegt man die Leute dorthin, auch Kollegen? Das hat etwas gedauert, da glaube ich muss man einfach zu Geduld raten. Wenn es beim ersten Jahrgang nicht hundertprozentig klappt, auf‘s zweite Jahr warten. Wichtig ist glaube ich noch jetzt, um die Prüfung als solches vielleicht zu betrachten, wirklich die Kriterien sehr früh offen zu machen, nach denen bewertet wird. Das hat unseren Studierenden sehr geholfen, klar zu werden, was denn eigentlich erwartet wird.“

[07:02-08:02] Marie-Therese Werner, Master-Studentin Biodiversität: “Also insgesamt fand ich das Prüfungsformat Science Slam sehr gut, weil es auch einfach mal was anderes war als Klausuren und auch selbst als mündliche Prüfungen oder eine Präsentation allein vor Kommilitonen und besonders war gut war halt, dass man sich so intensiv mit dem Thema beschäftigt hat, dass man sich auch noch für die Vorlesung danach oder auch die Prüfungen danach damit vorbereiten konnte, einfach weil Geschichten erzählt wurden, die dann ja auch im Kopf geblieben sind, was ja sonst nicht so der Fall ist, und das Einzige, was man vielleicht verbessern könnte, wo man noch ein Augenmerk speziell darauf legen könnte, ist, dass es wirklich Themen aus dem Studiengang sind, weil man sieht wie viel uns geholfen hat, wie sehr uns die ganzen Geschichten im Kopf geblieben sind, und wenn es dann auch noch Themen sind, die man in der Masterarbeit nutzen kann oder später sogar für’s Berufsleben, einfach dass man, dass die Leute einen Einblick bekommen woran man arbeitet, aber man selber auch Ideen bekommen kann, was kann ich machen und wie kann ich das machen, dann würde ich sagen wäre das noch besser.“

(08:02-09:06] Sebastian Neumann, Master-Student Biodiversität: „Ich find den Science Slam insofern gut, indem er einen damit dazu zwingt, sich selber mit einer Sache zu beschäftigen, mit der sich die meisten Wissenschaftler eher wenig gerne beschäftigen: ein Entertainer zu sein. Und um ein Entertainer sein zu können, braucht man sehr viel mehr Vorbereitungszeit als man in die meisten Vorträge selber reinpacken würde. Man muss sehr früh anfangen sich da Gedanken darüber zu machen und man muss wirklich sich Gedanken über jedes einzelne Wort zu machen, was man sagt und über die Betonung und ziemlich viele andere Dinge und daraus nehme ich mit, dass man sich selber sehr viel mit seinen Sachen beschäftigen muss, mit seinen Vorträgen, um die Leute wirklich mitzureißen und auf Dauer auch mit seiner Nervosität umgehend zu können und das Tolle an diesem Prüfungsformat ist, dass man in einem großen Feld mit seiner Nervosität umgehen muss und dies direkt in einem Prüfungsformat tun kann, nicht auf einer Konferenz das erste Mal damit in Berührung kommt.“

[09:07-10:06] Karoline Wüppenhorst, Master-Studentin Biodiversität: „Also ich war tatsächlich sehr sehr nervös vor dem Science Slam und habe mich eigentlich genauso wie auf einen mündlichen Vortrag, den wir in Seminaren oder so halten müssen, vorbereitet, das heißt ich habe mir erst mal mein Thema ausgesucht, viel recherchiert, und es dann auch vor Freunden vorgetragen und tatsächlich auch mit der Absicht, dass wir, sie mir Feedback darüber geben, ob sie es verstanden haben. Ich hatte viele Freunde aus verschiedenen Bereichen eingeladen, die mal mehr, mal weniger mit Naturwissenschaften konfrontiert sind, und da war mir das auch wichtig, dass die das gut verstehen, und hab das dann dementsprechend angepasst, ob sie das gut oder nicht so gut verstanden haben und konnte da auch viel mitnehmen, dass sie mir da gute Kritik geben, und ich das noch mal umsetzen kann. Das war mir teilweise auch gar nicht bewusst, was ich für selbstverständlich halte, und manche Begrifflichkeiten, die wir in den Naturwissenschaften einfach so verwenden, die aber vielleicht jemand der aus den Gesellschaft-gesellschaftswissenschaften kommt, überhaupt nicht kennt, und das fand ich sehr hilfreich und das hat mir viel gebracht.“

[10:07-10:38] Prof. Dr. Dominik Begerow: „Für uns, glaube ich, im Studiengang selber, war das sicher die Prüfungsform, die am meisten Spaß macht, also wir jedes Mal auch sehen wie die Studierenden über sich hinauswachsen. Studierende, die im normalen Seminaralltag oder Vorlesungsalltag eher untergehen, tauchen in einer ganz neuen Form auf und man erlebt doch sehr stark, dass Studierende einfach deutlich mehr können als das, was wir im normalen Alltag sehen und das finde ich, was mich auch immer wieder motiviert und auch auf den Abend freuen lässt, im Prinzip das ganze Jahr über, wenn wir wissen, jetzt wird wieder ein Science Slam kommen.“

Autor*in

  • Prof. Dr. Dominik Begerow, Professor für Organismische Botanik und Mykologie an der Universität Hamburg. Zuvor Professor für Evolution der Pflanzen und Pilze an der Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität Bochum. Von 2017 bis 2020 Leiter des inSTUDIESplus-Projekts "Kompetenzorientiert prüfen in der Biologie" (BMBF-Förderung).

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