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Selfassessment und langfristiges Lernen mit der ePortfolio-Prüfung

Das ePortfolio

Die Portfolio-Prüfung dient der mehrstufigen Leistungserfassung (für Dozent*innen) und verhilft zu einer kontinuierlichen Lernstands-Überprüfung (für Studierende). Das Portfolio besteht dabei aus kleineren Arbeitsaufträgen, Reflexions- und Entwicklungsaufgaben, die über das ganze Semester hinweg verteilt gestellt werden und am Ende eine Gesamtnote bilden.

Anders als bei einer klassischen schriftlichen Prüfung am Kursende haben die Studierenden in diesem Prüfungsformat die Chance, Kompetenzen unterschiedlicher Kategorien (z.B. Fach-, Selbst-, Methodenkompetenz…) auf vielfältige Weise aufzubauen, zu reflektieren, selbst zu überprüfen und zur Bewertung darzustellen.

Aus unserem Verständnis heraus ist für eine gewinnbringende Durchführung dieser Prüfungsmethode ein regelmäßiges Feedback von Seiten des Lehrenden zu den abgegebenen Bausteinen des Portfolios unbedingt notwendig. Die Lernplattform Moodle an der RUB bietet dafür zahlreiche und praktikable Möglichkeiten an. So können Arbeitsaufträge mit festen Abgabefristen programmiert, zentrale Abgabeaufforderung eingestellt, Diskussions-Foren oder Peer-Review-Formate eröffnet werden. Über Moodle können Studierende persönliches Feedback zu ihrem eingereichten Inhalt erhalten. Moodle bietet damit die Möglichkeit, ohne viel Aufwand mit den Studierenden in einen konstruktiven Austausch zu gehen.

Beim ePortfolio wird keine schriftliche Sammelmappe abgegeben, sondern es werden alle Aufgaben in digitaler „eForm“ eingereicht. Damit ist es möglich, auch große Seminargruppen individuell und zeitnah zu betreuen.

Kompetenzen fördern im Exkursionformat 

Der Exkursionskurs „Nationalparke: Naturschutz, Management und Perspektiven“ wurde spezifisch für Master-Studierenden der Biologie entwickelt.

Zum einen fördert der Kurs das Erlernen und Verinnerlichen praktischer Methoden und Kenntnisse im Rahmen klassischer floristischer Übungen im Gelände.

Zum anderen ist es ein explizites Lernziel des Kurses, sich über den klassischen Zugang hinaus intensiv mit den überfachlichen Zusammenhängen der Themenfelder „Biodiversität, Naturschutz, Nationalparke“ auseinanderzusetzen. Bewusst werden die politischen, gesellschaftlichen und sozio-ökonomischen Zusammenhänge des Naturschutzes zum Kursthema gemacht und die Studierenden zur Reflexion angeleitet.

So werden im Verlauf des Kurses sowohl mündliche, diskursive, schriftliche als auch fachspezifische Kompetenzen gefördert. Aufgrund eben dieser Vielschichtigkeit des Kurses und seiner Lernziele war uns als Lehrenden besonders wichtig, die vielseitigen Kompetenzen auch überprüfen zu können. Das Format der ePortfolio-Prüfung bot sich für diese Zielvorgabe hervorragend an.

Kompetenzen prüfen mit dem ePortfolio

So wird beispielsweise der Lernprozess persönlicher Meinungsbildung durch das Verfassen persönlicher Essays geprüft und damit die schriftliche Ausformulierung begründeter Stellungnahmen geübt. Dazu werden die Studierenden jeweils einmal vor, während und nach dem praktischen Modulteil aufgefordert, ihre persönliche Stellungnahme (Essay) zur immer gleichen Fragestellung abzugeben.

Die Kursteilnehmenden setzen sich während der theoretischen Vorbereitung im Seminar intensiv mit einer Bandbreite von Themen rund um „Naturschutz“ und „Nationalparke“ auseinander. Auch die praktische Exkursionszeit führt zur kontroversen Auseinandersetzung mit diesen Naturschutzzonen und schult den genauen Blick naturschutzfachliche Konzepte. Durch das Verfassen der Essays wird in diesem Zuge der Perspektivwechsel aus biologisch-fachlicher Richtung hin zu sozio-ökonomischen oder politischen Zusammenhängen ermöglicht und eine lebendige Diskussionskultur im Rahmen der Seminare gefördert. Den Lehrenden ist es ein Anliegen, den kritischen Blick der zukünftigen Biolog*nnen zu schulen und eine konstruktive Auseinandersetzung mit Kontroversen zu üben – die in Form der persönlichen Essays im Rahmen der Portfolio-Prüfung abprüfbar ist.

Das Learning Outcome dieses Schreibprozesses ist für die Studierenden eine Vorbereitung auf das „wahre Berufsleben“ (Employability). Denn einen Perspektivwechsel zu üben, Auseinandersetzungen sachlich und fachlich versiert zu führen, andere Standpunkte einzunehmen und Kompromisse finden zu können sind wichtige Kernkompetenzen im Berufsalltag vieler Biolog*innen in höheren Jobpositionen.

Mit dem Prüfungsformat wird eine weitere Kompetenz gefördert: Beim Verfassen der „persönlichen Essays“ lernen Studierende viel über die Kriterien guten wissenschaftlichen Schreibens. Ohne vorher einen Kriterienkatalog für ein solches „gutes persönliches Essay“ erhalten zu haben, sollen sie ein solches verfassen und dann in ein peer-to-peer Format bei Moodle hochladen. Nach dem Upload werden alle Teilnehmenden aufgefordert, zwei anonymisierte Essays von Kommiliton*innen zu lesen und nach dem in Moodle programmierten Kriterienkatalog zu bewerten. Hierdurch erhalten die Studierenden einen guten Überblick über eine entsprechende Bewertungs-Messlatte, lernen selbst möglichst neutral zu bewerten und können dieses Wissen in der zweiten und dritten Essay-Runde anwenden.

Die sachliche und umfassende Einarbeitung sowie die entsprechende Darstellung eines neuen Fachthemas werden durch den Portfolio-Teil „Seminarvortrag“ gefördert und geprüft. Auch die sich daran anschließende Diskussion moderieren die Vortragenden selbst und stellen sich darin den fachlichen Rückfragen der anderen Seminarteilnehmenden.

Der letzte Baustein des Portfolios ist das klassische biologische „Wegeprotokoll“ zur Dokumentation der erfassten Flora eines Exkursionstages.

Durch das entstehende Portfolio kann im Verlauf der Lehrveranstaltung für Studierende wie Lehrende sehr gut sichtbar gemacht werden, welche neuen Denkprozesse, Perspektiven und Inhalte die Studierenden aufnehmen und verinnerlichen konnten.

Umsetzung im Semester

Im Verlauf der aktiven Kurszeit von März bis Juli bearbeiten Studierende kontinuierlich Aufgabenstellungen, die durch einen Moodle-Kurs angeleitet werden. Die Aufgaben müssen dort bis zu einem Fristtermin bearbeitet und hochgeladen werden müssen.

Bis zum Beginn der ganztägigen Seminartage müssen die Studierenden so z.B. ihr erstes persönliches Essay bei Moodle hochgeladen haben. Die Aufgabenstellung dazu lautet: „Nehmen Sie begründet Stellung: Welchen Nutzen hat die Einrichtung eines Nationalparks?“

Bis hierhin haben sich die Kursteilnehmenden i.d.R. noch kaum mit dem vielschichtigen Thema „Nationalpark“ auseinandergesetzt und schildern daher eine ganz persönliche, fachlich wenig begründete Sichtweise auf das Thema Nationalpark. Das erste Essay wird ohne zuvor veröffentlichten Kriterienkatalog verfasst und anschließen in einem Peer-Verfahren zur gegenseitigen Bewertung durch die Studierenden freigeschaltet. Daneben erhalten die Studierenden selbst aber auch ein Feedback der Lehrenden zum Vergleich.

Die Präsentation in der Seminarwoche ist der zweite Baustein der Portfolio-Prüfung. Über Moodle erhalten die Studierenden ein kurzes schriftliches Feedback.

Nach den intensiven Seminartagen werden die Teilnehmenden aufgefordert ihr zweites persönliches Essay mit identischer Aufgabenstellung fristgerecht zu verfassen. Im zweiten und dritten Essay ist den Studierenden der Kriterienkatalog für gute Essays bekannt und es wird auf das Peer-to-peer verzichtet. Hier geben nur die Lehrenden ihr Feedback zur eingereichten Aufgabe an den Studierenden weiter.

Im Juli erleben die Teilnehmenden während der Exkursionstage die praktische Seite dessen, womit sie sich zuvor wochenlang in der Theorie befassten: einen Nationalpark mit allen seinen Zielen, Ansprüchen und Herausforderungen.

Während der Exkursion bieten wir verschiedene Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit dem Naturraum an, organisieren Gespräche, Führungen und Diskussionsrunden mit Mitarbeitenden vor Ort. Damit werden die ganz klassischen floristischen Lernziele der Exkursion um Kompetenzkategorien aus dem Bereich der „Selbstkompetenz“ ergänzt und wir fördern explizit den nach Bologna geforderten Bereich der „Employability/Praxisbezüge“.

Während der Exkursion ist die Gruppe dafür verantwortlich, für jeden Ausflugstag eine Person, die protokolliert, festzulegen. Die gesammelten Informationen des Tages werden später von der verantwortlichen Person zu einem entsprechend wissenschaftlich aufgearbeiteten Wegeprotokoll verfasst.  

Das dritte persönliche Essay zur bekannten Aufgabenstellung wird bis vier Wochen nach der Exkursion eingereicht. Mit der Aufforderung zum Rückblick auf das erste Essay kann ein vergleichendes Fazit von jedem Teilnehmenden gezogen werden und die Studierenden sind in der Lage, ihren ganz persönlichen Lernzuwachs konkret zu überprüfen. Das dritte Essay geht als letzter Baustein in die Portfolio-Prüfung mit ein.

Am Ende, so unsere Erfahrung, haben die Studierenden mit dem eingereichten ePortfolio einen sehr guten Überblick über ihren fachlichen und persönlichen Lernzuwachs im Rahmen der Exkursionszeit vorliegen. Durch die fortwährende Korrektur und das Feedback erhalten die Studierenden die Möglichkeit der Verbesserung und eine sehr transparente Bewertung der eigenen Leistungen.

Abbildung: Ablauf des Seminars mit Bestandteilen des Portfolios; Quelle: eigene Darstellung

Bewertung

Für unseren Kurs entschieden wir uns dazu, für jeden Aufgabenteil ein ausführliches persönliches Feedback zu verfassen.

Für eine transparente Bewertung der persönlichen Essays stand den Studierenden nach der ersten Runde im „peer-to-peer-Format“ ein Kriterienkatalog zur Orientierung zur Verfügung.

Alle im Verlauf erbrachten Teilleistungen (Seminarvortrag, dem Wegeprotokoll sowie den persönlichen Essays) ergeben am Ende den Gesamteindruck und die Modulnote für den Kurs.

Tipps für Lehrende

  • Für das Prüfungsformat des Portfolios gelten die gleichen Kriterien wie für bekannte Prüfungsformate der Klausur etc. und so müssen allgemeine Kriterien der Kohärenz, der Validität, Zuverlässigkeit und Fairness etc. gegeben sein.
  • Neue Formate, wie das von uns genutzte persönliche Essay sollten unbedingt zuvor mit entsprechenden Bewertungsrahmen von den Lehrenden versehen werden, damit eine Bewertung transparent und konstruktiv gelingen kann.
  • Wer bisher noch nicht viel mit Moodle gearbeitet hat, sollte etwas mehr Zeit für die Einrichtung eines zeitlich programmierten Kurssystems einplanen. An der RUB gibt es dafür Beratungspartner*innen.
  • Die Organisation von Exkursionen und entsprechend umfassender vorbereitender Seminartage bedarf sicherlich eines größeren Mehraufwandes als die Ausarbeitung eines theoretischen Kurses, den Sie mit Aktualisierungen in den folgenden Semestern fortführen können. Im Format der Exkursion ist jedes Jahr alles neu. Dadurch bietet der Kurs eine exzellente Abwechslungsmöglichkeit in der Ausgestaltung. Aktuelle, „brennende“ Themen aus Naturschutz, Ökonomie und Politik können sehr gut mit einfließen und zur Diskussionsgrundlage im Kurs wachsen. Unsere Erfahrungen zeigen: Studierende und Lehrende profitieren bei dieser Art von Lehr-Lern-Prozess durch höhere Motivation und Lehr-Lernbereitschaft beiderseits!

Autor*innen

  • Julia Steffen, Mitarbeiterin am Lehrstuhl Evolution der Pflanzen und Pilze an der Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität Bochum, von 2017 bis 2020 Mitarbeiterin im inSTUDIESplus-Projekt "Kompetenzorientiert prüfen in der Biologie" (BMBF-Förderung)., juliasteffen
  • Dr. Martin Kemler, Postdoc am Lehrstuhl Evolution der Pflanzen und Pilze an der Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität Bochum.
  • Prof. Dr. Dominik Begerow, Professor für Organismische Botanik und Mykologie an der Universität Hamburg. Zuvor Professor für Evolution der Pflanzen und Pilze an der Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität Bochum. Von 2017 bis 2020 Leiter des inSTUDIESplus-Projekts "Kompetenzorientiert prüfen in der Biologie" (BMBF-Förderung).

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