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Schemata für Prüfungsaufgaben

Prüfungen sind im universitären Alltag oft ein unliebsames Thema. Das hat viele Gründe, von den unterschiedlichen Funktionen von Prüfungen über die inhärenten Konfliktlinien bis hin zur zeitaufwendigen Korrektur und rechtliche Fragen. Zudem kommt, dass die Prüfungserstellung für Lehrende Aufwand bedeutet, neben etlichen anderen Verpflichtungen rund um Lehre und Forschung. Am Aspekt der Ressourcen setzt die Idee von Aufgabenschemata an: Sie können helfen, die Prüfung ökonomischer zu machen.

Was verstehen wir unter Prüfungsökonomie?

Walzik konstatiert, dass „prüfungsökonomische Überlegungen dazu führen, eine Prüfung weniger aufwändig zu gestalten, als es didaktisch angemessen wäre (…)“ (2012, 42). Dahinter steckt die Definition von Ökonomie, dass „der Nutzen, den die Beurteilung mit sich bringt, den Aufwand rechtfertigt.“ (2012, 44) Da seit der Bologna-Reform jedes Modul mit einer Prüfung abgeschlossen werden muss, können Nutzen und Aufwand einer Prüfung mitunter in einem nicht-ökonomischen Verhältnis stehen – zumindest dann, wenn Sie als Lehrende „das Rad neu erfinden“ müssen.

Wiederverwendbares Aufgabenschema

Ein Aufgabenschema ist wie eine Vorlage nutzbar. Dafür muss es neutral, zeitlos und wiederverwendbar sein. Bei der Formulierung der Aufgabenstellung/Fragen ist zu beachten, dass der wichtigste und kennzeichnendste Bestandteil das Verb ist. Es muss ein Verb der äußeren Sichtbarkeit passend zu einer der Taxonomiestufen sein, d.h. es muss die zu erreichenden Kompetenzen der Studierenden abbilden, so dass Sie die Prüfungsleistung beobachten können. Substantive, Adjektive und andere Satzbestandteile können variiert werden, und das Verb bleibt dasselbe.
Wenn Sie also für eine kompetenzorientierte Prüfung die Lernzielstufe vier, nach Anderson & Krathwohl (2001) im Deutschen mit „Analysieren“ benannt, adressieren möchten, können Sie z.B. mit dem Verb „vergleichen“ arbeiten. Welche Gegenstände, Theorien, Ereignisse, etc. Sie miteinander vergleichen lassen, variiert, und das Verb „vergleichen“ bleibt die Konstante. „Begründen Sie“, „Analysieren Sie“, „Klassifizieren Sie“, „Überprüfen Sie“, „Demonstrieren Sie“, „Schätzen Sie ein“, „Entwerfen Sie“, … die Liste möglicher starker Verben für die Formulierung von Aufgabenschemata lässt sich fortführen.
Dieses Aufgabenschema aufzubauen und die passenden Verben zu identifizieren, gelingt Ihnen umso leichter, je präziser Sie die Lernziele Ihrer Lehrveranstaltung oder Ihres Moduls definiert haben. Im Idealfall nutzen Sie dieselben Verben schon bei der Erstellung der Lernziele, und brauchen diese für Ihr Aufgabenschema nur noch zu übernehmen oder ggf. Synonyme zu suchen. Ihr erster Schritt ist also, Ihre intendierten Lernergebnisse als Learning Outcomes zu formulieren oder zu überarbeiten. Genauere Hinweise zum Vorgehen finden Sie im nächsten Abschnitt.

Schritt-für-Schritt-Vorgehen

Das folgende Vorgehen ist angelehnt an eine Ausarbeitung von Vrabl (2022), die online abrufbar ist. Es spiegelt das Prinzip des Constructive Alignments wieder, bei dem intendierte Lernergebnisse, Prüfung und Lehre aufeinander abgestimmt werden, und womit ein für Lehrende und Lernende sichtbares Ziel entsteht, das den Lernprozess strukturiert. Weiterführende Erklärungen finden Sie jeweils, wenn Sie auf „Details“ klicken.

1. Lernziele formulieren

Grundlegend sind stets die intendierten Lernergebnisse, bekannter als Lernziele. Schreiben Sie diese fest: Was genau sollen die Studierenden am Ende des Semesters zu tun in der Lage sein? Für die Formulierung der Ziele sollten Sie auf eine taxonomische Einordnung (z.B. Modell von Anderson und Krathwohl (2001)) und Verben der äußeren Sichtbarkeit zurückgreifen, von denen exemplarisch einige hier aufgezählt werden. Wenn die verwendeten Verben eine Handlung sichtbar beschreiben, können Sie aus Ihren Lernzielen bereits Aufgaben für die Prüfung ableiten.

2.      Prüfungsform festlegen

Wenn die Prüfungsordnung keine Prüfungsform vorschreibt, legen Sie diese im zweiten Schritt fest. Sie können sich dabei an grundsätzlichen Kategorisierungen wie von Reinmann 2014, die die grundlegenden Prüfungsmodi und daraus abgeleitete –formate ausdifferenziert, oder an taxonomisch aufgelisteten Formen wie von der Uni Bremen orientieren. Ein Online-Tool, das mögliche Prüfungsformen aufgrund von Kriterien wie der Studierendenanzahl und z.B. den Aufgabentypen generiert, ist die Assessment Toolbox der Uni Bern.

3.      Aufgabentyp auswählen

Aufgabentypen lassen sich grob anhand der Lernzieltaxonomie differenzieren. Geht es um das Erinnern von Fakten (Stufe 1) oder sollen die Prüflinge Zusammenhänge erschließen (Stufe 4)? Weitere Typisierungen können das Format der Aufgabe umfassen: Die Studierenden können z.B. Fallbeispiele lösen, Single- und Multiple Choice-Aufgaben lösen oder aus einer fachwissenschaftlichen Perspektive heraus Handlungsempfehlungen ableiten. Für den Aufbau einer Prüfung empfiehlt es, mit einfacheren Aufgaben zu beginnen, die entsprechend weniger Punkte geben, und zuletzt die komplexen Aufgaben, mit denen die Prüflinge viele Punkte erreichen können, vorzusetzen. Das lässt sich auch bei einer Randomisierung von Prüfungsfragen in einer Online-Prüfung via Moodle umsetzen, indem Sie die „Icebreaker-Fragen“ zu Beginn als feste Fragengruppe setzen, innerhalb derer (wenn es mehrere sind) noch eine Zufallsanordnung möglich ist.

4.      Aufgabenschema entwerfen

Für den wichtigsten Schritt brauchen Sie vor allem die Verben der äußeren Sichtbarkeit. Dabei handelt es sich um starke Verben, die die Kompetenzen, die die Studierenden erreichen sollen, ausdrücken. „Der semantische Gehalt der Tun-Wörter determiniert den Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe, die zu erreichende Lerntiefe eines Themas sowie den zu erwartenden Workload (ECTS).“ (Vrabl, 2022) Die Grundlage für das Aufgabenschema finden Sie in Ihren Lernzielen: Wenn Sie festgehalten haben, dass die Studierenden nach Ihrer Lehrveranstaltung in der Lage sein sollen, Theorien miteinander zu vergleichen, lautet Ihr Verb „vergleichen“, und Ihr Aufgabenschema lautet „Vergleichen Sie X mit Y.“ Ein Aufgabenschema ist wiederverwendbar, neutral und zeitlos.

5.      Prüfungsaufgaben ableiten

Wenn Sie Ihr Aufgabenschema haben, können Sie daraus für Ihre konkrete Prüfung Aufgaben erstellen. Dabei können Sie überlegen, ob Sie die studentischen Antworten etwas stärker lenken möchten, indem Sie mit Zahlen genauere Erwartungen formulieren, z.B. „Nennen Sie drei Argumente.“ oder „Verfassen Sie eine Empfehlung (ca. 150-200 Wörter).“ Ob Sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen möchten, entscheiden Sie selbst. Wenn Sie beispielsweise die Anzahl der Wörter angeben, verhindern Sie allzu ausschweifende Antworten. Gleichzeitig kann eine Angabe wie „drei Argumente“ auch einschränkend sein, wenn den zu prüfenden Personen mehr Argumente bekannt sind.

6.      Bewertungskriterien definieren & hierarchisieren

Erneut sind die Lernziel-Formulierungen mit den Verben der äußeren Sichtbarkeit von großer Bedeutung: In Schritt fünf definieren Sie möglichst objektive Kriterien für die Beurteilung der studentischen Leistungen. Dieses Kriterienraster können Sie ebenfalls als Schema anlegen und für einzelne Prüfungsaufgaben konkretisieren. In einem zweiten Schritt versehen Sie es mit einer Gewichtung, z.B. durch Punkte.

7.      Transparenz schaffen & Übungsgelegenheiten geben

Wenn Sie Aufgabenschemata für Ihre Lehre definiert haben, können Sie diese für Prüfungen und für die Lehre nutzen. Der Ausspruch „assessment drives learning“ führt uns immer wieder vor Augen: Studierende passen ihr Lernverhalten der erwarteten Prüfung an. Wenn Sie Ihren Studierenden zu Semesterbeginn und im Semesterverlauf immer wieder die intendierten Lernergebnisse Ihrer Lehrveranstaltung vor Augen führen und vor allem, wenn Sie ihnen Übungsgelegenheiten mit Ihrem Aufgabenschema bieten, unterstützen und lenken Sie den Lernprozess. Reinmann (2021) spricht in dem Zusammenhang von „akademischem Üben“, gekennzeichnet durch Wiederholung und Reflexion. Als Lehrende*r können Sie dieses akademische Üben mit formativem Prüfen, sprich semesterbegleitendem Feedback, unterstützen.

Literatur & weiterführende Quellen

Anderson, L. et al. (2014): A taxonomy for learning, teaching and assessing: A revision of Bloom’s. Edinburgh: Pearson education Limited.

Reinmann, Gabi (2014): Prüfungen – einfach in der Kategorisierung – komplex in der Ausgestaltung. Stand Mai 2014.

Reinmann, Gabi (2021): Prüfungskultur im Wandel? Vortrag beim Hochschulforum Digitalisierung am 28. Oktober 2021.

Vrabl, Olivia (2022): Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Erstellung von Aufgabenschemata für Prüfungsaufgaben. Version: 27.05.2022.

Vrabl, Olivia (2022): Ökonomie beim Prüfen. Zeitlose, wiederverwendbare Aufgabenschemata für Prüfungsaufgaben erstellen. In: HINT – Heidelberg Inspirations for Innovative Teaching, Volume 3 (2022/12), S. 71–98, DOI https://doi.org/10.11588/hint.2022.1.92853.

 

Link-Tipp: One-for-All Exams Generator von R/exams.

Video-Tipp: Vortrag „Ökonomie beim Prüfen – Hochwertige Prüfungsaufgaben zeitsparend entwerfen“ von Olivia Vrabl am 1. Juni 2022 an der Universität Graz.