Barrierefreie Gestaltung

Aspekte

Digitale Barrierefreiheit ist ein weites und komplexes Feld, das sich prinzipiell in zwei Arten von Aspekten unterteilen lässt: Technologische und gestalterische.

Die technologischen Aspekte ermöglichen es, digitale Inhalte mithilfe verschiedenster assistiver Technologien nutzen zu können. Beispielsweise müssen sie mit alternativen Eingabemethoden bedient werden können – anstatt mit der Maus also auch mit der Tastatur, einem Touchscreen oder weniger verbreiteten Hilfsmitteln wie einem Mundstab oder per Eye Tracking. Blinde Personen oder Menschen, die Computer aufgrund motorischer Einschränkungen nicht mit der Maus bedienen können, nutzen außerdem häufig eine Screenreader-Software, die ihnen die Inhalte des Dokuments oder der Website auditiv ausgibt. Damit all das möglich ist, müssen alle vorhandenen Elemente im zugrundeliegenden (HTML-)Code semantisch korrekt ausgezeichnet sein, also ihre konkrete Rolle (Überschrift, Link, Tabelle etc.) zugewiesen bekommen.

Was kompliziert klingt, machen uns die Anwendungen glücklicherweise sehr einfach, denn viele dieser Auszeichnungen werden automatisch in den Code übertragen. Damit das funktioniert, ist es elementar, die Formatvorlagen der jeweiligen Anwendung zu nutzen, wann immer es welche gibt – etwa bei Überschriften, Aufzählungen oder Tabellen in Word, PowerPoint oder Moodle. Auf diese Weise erkennt ein Screenreader, bei welchem Element es sich um eine Überschrift, einen Link, eine Grafik, ein Formularfeld, eine Tabelle usw. handelt und gibt diese Information dem*der Nutzer*in aus. So können sich sogar blinde Personen im digitalen Inhalt orientieren, darin navigieren und adäquat mit ihm arbeiten.

Aber auch die optische Gestaltung eines Dokuments kann seine Zugänglichkeit bereits deutlich verbessern. Gestalterische Aspekte kommen vielen Personengruppen zugute, denen ihre Einschränkung nicht anzusehen ist, bzw. ADHS, Dyslexie, Autismus oder eine psychische Störung. Aber auch fremdsprachige Personen profitieren hiervon – ebenso wie alle Gesunden. Die Grundsätze des barrierefreien Designs gelten dabei für alle Anwendungen, mit denen Lehrmaterialien erstellt werden.

 

Checkliste für alle gängigen Anwendungen

Wahl kontrastreicher Farben

  • Bei Fließtext eignet sich die Kombination schwarze Schrift auf weißem Grund am besten. Möchten Sie hiervon abweichen, achten Sie dennoch auf einen hohen Farbkontrast, etwa Dunkelblau und Weiß.
  • Aufgrund der weiten Verbreitung der Rot-Grün-Fehlsichtigkeit sollten Sie die Farbkombination Rot-Grün vermeiden.
  • Vermitteln Sie Informationen nicht ausschließlich durch Farbe. Bei Liniendiagrammen sollten sich die Linien bspw. zusätzlich zur Farbe auch in ihrer Struktur (gepunktet, gestrichelt, durchgehend etc.) unterscheiden. Fehler oder fehlerhafte Eingaben sollten ebenfalls nicht ausschließlich durch rote Rahmen o. ä. markiert werden, sondern stets zusätzlich verbal („Fehler“).

Barrierefreie Schriftarten

  • Nutzen Sie schlichte, gut lesbare Schriftarten anstelle von extravaganten Schriften.
  • Vermeiden Sie Schriften, in denen unterschiedliche Zeichen mit demselben Symbol dargestellt werden, etwa bei I, l und 1.

Übersichtliche Strukturierung von Texten

  • Gliedern Sie Fließtexte in kurze, sinnvolle Absätze.
  • Fügen Sie Überschriften und Zwischenüberschriften ein. Achten Sie dabei auf eine hierarchisch logische und sinnvolle Reihenfolge (Überschriftstufe 1 – Überschriftstufe 2 – Überschriftstufe 3) und überspringen Sie keine Hierarchiestufe.
  • Nutzen Sie Überschriften-Formatvorlagen. Überschriften allein manuell optisch hervorzuheben, genügt nicht, weil auf diese Weise keine semantische Auszeichnung im Code erfolgt.
  • Vermeiden Sie Blocksatz und nutzen Sie stattdessen linksbündigen Flattersatz.
  • Vergrößern Sie zugunsten der Lesbarkeit den Zeilenabstand.
  • Verwenden Sie weder automatische noch manuelle Silbentrennung.

Einheitlicher Aufbau

  • Bauen Sie Dokumente desselben Typs bestenfalls einheitlich auf, damit die Orientierung darin vereinfacht wird. In Moodle bedeutet das bspw., dass es zu jeder Lehreinheit eine Sektion gibt, deren Inhalte in der immer gleichen Reihenfolge eingepflegt werden.

Beschreibende Links

  • Machen Sie das Ziel eines Links durch aussagekräftige Linksbeschreibungen eindeutig erkennbar, z. B.: „Im LEHRELADEN halten wir weitere Informationen zu Lehrformaten und Methoden für Sie bereit.“ Achten Sie darauf, dass allein die Linkbeschreibung das Ziel des Links erkennen lässt. Vermeiden Sie Links wie „Mehr Informationen finden Sie hier“ oder „Hier klicken“.

Alternative Formate

  • Fügen Sie allen relevanten Grafiken Alternativtexte hinzu. Fassen Sie dafür das Dargestellte knapp und informativ zusammen. Fragen Sie sich, welche Aspekte der Grafik im jeweiligen Kontext relevant sind. Vermeiden Sie es dabei, die jeweilige Grafik zu interpretieren. Beschränken Sie sich außerdem auf den reinen Inhalt, anstatt mit „Foto von…“ o. ä. zu beginnen.
  • Sind Grafiken vorhanden, die inhaltlich irrelevant sind, etwa weil sie lediglich dazu dienen, das Dokument optisch attraktiver zu gestalten, markieren Sie die jeweilige Grafik als dekorativ. In den gängigen Anwendungen geht das einfach per Klick auf eine Checkbox. Verzichten Sie niemals einfach auf den Alternativtext. Auch Grafiken, deren Inhalt redundant ist, weil er bspw. bereits im Fleißtext ausführlich erläutert wurde, sollten Sie als dekorativ kennzeichnen.
  • Ergänzen Sie Multimedia-Inhalte um alternative Formate, sodass Personen, bei denen ein Sinnesorgan geschädigt ist, den Inhalt mithilfe eines anderen Sinns erfassen können. Visuelle Inhalte wie Videos benötigen daher eine Audiodeskription oder ein Transkript, das ein Screenreader ausgeben kann. Auditive Inhalte wie Podcasts oder Videos mit Tonspur benötigen ein Transkript bzw. einen Untertitel. Alternative Formate gehören oftmals zu den aufwendigeren Aspekten der barrierefreien Lehre. Je nach vorhandenen Ressourcen können sie mit kostenfrei zugänglichen Anwendungen mit einem gewissen Zeitaufwand, oder mithilfe kommerzieller Software zeitsparend, aber kostenpflichtig erstellt werden.

Export als PDF

  • Unabhängig davon, aus welchem Quellprogramm – z. B. Word oder PowerPoint – Sie ein Dokument in ein PDF umwandeln, achten Sie stets darauf, dass es inklusive der Barrierefreiheitseigenschaften exportiert wird. Nur auf diese Weise werden die Informationen aus dem Code des Quellprogramms auch in den des PDF übertragen, damit es zugänglich für Screenreader wird. Das funktioniert in den Microsoft-Programmen so: Klicken Sie auf Datei und dann auf Speichern unter. Im Dropdown-Menü wählen Sie jetzt PDF als Dateityp aus. Anschließend klicken Sie auf Weitere Optionen, wodurch sich das Dialogfeld „Speichern unter“ öffnet. Klicken Sie hier auf Optionen… und vergewissern Sie sich, dass der Haken für den Export mit Tags gesetzt ist. Je nach genutzter Software kann die Option unterschiedlich benannt sein, etwa „Exportieren mit PDF Tags“ oder „Dokumentstrukturtags für Barrierefreiheit“, beinhaltet aber immer das Stichwort „Tags“.
  • Verzichten Sie darauf, ein Dokument in ein PDF zu erstellen, indem Sie die Druckfunktion nutzen und ein PDF-Programm als Drucker auswählen. Hierbei werden keine Barrierefreiheitseigenschaften in das PDF übernommen.

Interaktive Elemente

  • Achten Sie bei der Wahl der Interaktion – etwa H5P-Aufgaben in Moodle – darauf, dass sie von möglichst vielen Eingabemethoden problemlos zu bedienen ist. Freitextfelder, Dropdown-Menüs oder das Anklicken von Antwortmöglichkeiten sind in der Regel unproblematisch. Sofern möglich, vermeiden Sie jedoch Antworttypen wie die freie Zeichnung mit der Maus, für die feine motorische Fähigkeiten nötig sind. Auch Zuordnungsaufgaben, bei denen Elemente mit der Maus an eine korrekte Position gezogen werden müssen, sind nicht immer mit allen Eingabemethoden umzusetzen. Wenn möglich, beschränken Sie sich auf Antworttypen, die sowohl mit der Maus als auch mit der Tastatur bedienbar sind.

 

PowerPoint

In PowerPoint sollten zusätzlich zu oben genannten einige wichtige Punkte berücksichtigt werden:

Lesereihenfolge

Häufig werden die Inhalte in PowerPoint-Folien nicht in derselben Reihenfolge eingefügt, in der sie später gelesen werden. Ein Screenreader liest sie jedoch in der Reihenfolge des Einfügens vor. Prüfen und korrigieren Sie deshalb die Lesereihenfolge für jede Folie. In den Lesereihenfolgebereich gelangen Sie bspw. über die Barrierefreiheitsprüfung, und können dann die Reihenfolge der Elemente einfach mit der Maus korrigieren, ohne in die Folie selbst eingreifen zu müssen (siehe Grafik 1: Lesereihenfolge prüfen und dekorative Elemente deaktivieren in PowerPoint).

Grafik 1: Lesereihenfolge prüfen und dekorative Elemente deaktivieren in PowerPoint

Dekorative Elemente

Oft enthalten PowerPoint Folien viele wiederkehrende Elemente (Semesterangabe, Name der Lehrveranstaltung, Logo der Hochschule etc.). Diese Elemente sind inhaltlich nicht auf jeder Seite relevant und sollten ebenfalls als dekorativ markiert werden. Am einfachsten geht das im Lesereihenfolgebereich. Hier sind nicht nur alle Elemente der Folie aufgelistet, zusätzlich ist jedem Element eine Checkbox zugeordnet. Deaktivieren Sie die entsprechende Checkbox zu einem Element, das wiederkehrend ist und für Screenreader ausgeblendet werden soll (siehe Grafik 1: Lesereihenfolge prüfen und dekorative Elemente deaktivieren in Power Point).

Eindeutige Folientitel

Benennen Sie jede Folie mit einem eigenen und eindeutigen Titel. Mit anderen Worten: Nutzen Sie einen Titel nicht auf mehreren Folien. Jede Folie gleicht einem Kapitel in einem Buch, das eindeutig bezeichnet wird. Das ermöglicht eine schnelle Orientierung über die Inhalte allein anhand des Inhaltsverzeichnisses. Zieht sich ein Thema über mehrere Folien, bietet sich unter Umständen ein zusätzlicher individueller Untertitel an.

 

LaTeX

Mit LaTeX erstelle PDF sind derzeit nicht standardmäßig barrierefrei. Jedoch arbeitet das LaTeX Team derzeit an einem Projekt, das die Funktionalitäten LaTeXs hinsichtlich der barrierefreien PDF-Erstellung verbessern soll. Konkrete Optimierungen sind 2025 mit Ende der Projektlaufzeit zu erwarten. Aktuell existieren einige – zum Teil experimentelle – Pakete, die die Zugänglichkeit von LaTeX-Dokumenten verbessern können. Dazu gehören accessibility, tagpdf oder axessibility für den zugänglichen Export mathematischer Formeln. Die TeX Users Group hat eine Übersicht über hilfreiche Pakete zusammengestellt. Grundsätzlich gelten die oben genannten Gesichtspunkte auch für Dokumente, die in LaTeX erstellt werden.