Ausblick: Textgenerierende Technologien und die Ära des „Postplagiarismus“?

In der Diskussion um die Nutzung von textgenerierenden Technologien wird auch der Begriff des Plagiats diskutiert. Eaton (2023) spricht in diesem Zusammenhang von einer Ära des Postplagiarismus, in der ein neues Verständnis ausgehandelt werden muss. Teilweise wird ein Bild des zukünftigen wissenschaftlichen Schreibens entworfen, bei dem der Verweis auf verwendete Literatur nicht mehr sinnvoll bzw. möglich ist, weil Textteile von generativen Technologien geschrieben werden (vgl. z.B. Wilder et al 2022: 214). Die Betrugsform der Zukunft sei das Schreiben-lassen (vgl. z.B. Limburg et al 2022: 97) und nicht mehr das Abschreiben (ohne zu zitieren). Momentan herrscht in diesem Bereich viel Unsicherheit: Wir wissen nicht, wie die Technologien weiterentwickelt werden, in den Disziplinen haben sich noch keine Konventionen zur Kennzeichnung der Verwendung von textgenerierenden Technologien ausgebildet, Prüfungsformen und Didaktik werden noch an die neue und sich kontinuierlich weiter verändernde Situation angepasst.

Bei der Verwendung von textgenerierenden Technologien liegt kein Plagiat im engeren Sinne vor: Es gibt keinen fremden Text als Grundlage für den eigenen, auf den verwiesen werden könnte und müsste. (Wenn trotzdem von Plagiarismus gesprochen wird, ist meist der Aspekt des Betrugs gemeint.) Dennoch können Probleme in Bezug auf die Prinzipien der guten wissenschaftlichen Praxis und die Prüfungsgerechtigkeit auftreten. In Bezug auf die Prüfungsgerechtigkeit ist die Frage entscheidend, ob die Nutzung der Technologien für die Prüfung zugelassen wurde und wie stark der eigene Beitrag der Studierenden an der Textentstehung ist, ob der Text also als ihre Eigenleistung eingeschätzt werden kann (vgl. Hoeren 2022: 32f). Mit Blick auf die gute wissenschaftliche Praxis ist nach einer Stellungnahme der DFG auch bei Nutzung von textgenerierenden Technologien weiterhin entscheidend, dass die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses gewahrt wird. Das bedeutet, dass sowohl von generativen Technologien erzeugte Text- und Bildinhalte als auch fremdes geistiges Eigentum, das Teil von automatisch generierten Texten sein kann, nachvollziehbar gekennzeichnet wird (vgl. DFG 2023: 2, Hoeren 2023: 31f).

Gerade in der Zeit, bis sich fachliche Konventionen für den Umgang mit und die Kennzeichnung der Nutzung textgenerierender Technologien herausgebildet haben, können uns bei der Mensch-Maschine-Kollaboration die Konzepte Autor*innenschaft und Verantwortung für den eigenen Text weiterhelfen. Egal, welche Hilfsmittel ein*e Autor*in nutzt – sie*er ist juristisch betrachtet Urheber*in des Texts, wenn er*sie die Textentstehung maßgeblich steuert (vgl. Hoeren 2023: 25f.) und für alle Aspekte des Texts verantwortlich (vgl. z.B. Eaton 2023); die Stellungnahme der DFG spricht hier von „inhaltlicher und formaler Verantwortung“ (DFG 2023: 2) in Bezug auf die wissenschaftliche Integrität. Wenn Studierende also z.B. falsche Informationen aus ChatGPT übernehmen, sind sie für diese sachlichen Fehler verantwortlich. Ähnlich verhält es sich mit der Einbettung der eigenen Forschung in den Diskurs: Auch wenn textgenerierende Technologien keine – oder falsche – Belege geben, ist der*die menschliche Autor*in eines wissenschaftlichen Textes verpflichtet, dies nacharbeiten.

Solange es noch keine allgemeinen Regeln in Ihrem Fach gibt, können nur Sie Ihren Studierenden einen sicheren Handlungsrahmen geben, in dem sie ihre Text schreiben können, ohne die Sorgen zu haben, unwissentlich zu täuschen:

  • Informieren Sie sich regelmäßig über die institutionellen Regelungen an Ihrer Hochschule und Ihrem Fachbereich.
  • Tauschen Sie sich mit Kolleg*innen über die sich herausbildenden Kennzeichnungspraktiken in Ihrem Fach aus.
  • Geben Sie dieses Wissen an die Studierenden weiter.
  • Thematisieren Sie für jede Aufgabe und jede Studienleistung, ob, wie und wozu textgenerierende Technologien genutzt werden können/sollen und wie dies zu kennzeichnen ist. Anregungen, wie Sie diese Entscheidungen treffen können, finden Sie im LEHRELADEN.