Was ist ein Plagiat?

Auch wenn Sie mit Sicherheit eine allgemeine Bestimmung von Plagiaten geben können und in Ihrem eigenen Schreiben plagiatssicher arbeiten, fällt Ihnen vielleicht trotzdem die Entscheidung, ob in einer studentischen Arbeit Plagiate vorliegen oder nicht, nicht immer leicht. Das liegt daran, dass es ein komplexes Phänomen ist, das aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden kann.

Allgemeine Begriffsbestimmung

Mit dem Begriff des Plagiats wird allgemein die Übernahme fremder geistiger Leistungen bezeichnet, wenn diese nicht als solche gekennzeichnet wird. Dabei kann es sich um Gedanken, Argumentationen, Modelle, Formulierungen, wissenschaftliche Ergebnisse, Code, Abbildungen und vieles mehr handeln. Im Folgenden wird es vor allem um die Übernahme von Gedanken, Strukturen und Formulierungen aus anderen Texten gehen. Wenn Schreibende plagiieren, maßen sie sich die Autor*innenschaft von Passagen bzw. geistigen Produkten an, die sie nicht selbst hergestellt haben. Dies wird durch Prüfungsordnungen und von der Scientific Community als Täuschung gewertet.

Im wissenschaftlichen Bereich geht es selten um Verletzungen des Urheberrechts, also nicht um Plagiate im juristischen Sinn, sondern um Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis (vgl. z.B. DFG 2019).  Ziel der guten wissenschaftlichen Praxis ist es u.a., die Verlässlichkeit und Überprüfbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse durch eine transparente Dokumentation des Forschungsprozesses zu sichern. Plagiate können die Wissenschaftlichkeit eines Texts beeinträchtigen, weil sie die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit einer Argumentation schmälern.

Plagiat oder Textähnlichkeit?

Nicht alle Ähnlichkeiten zwischen Texten stellen jedoch Plagiate dar. Ein Plagiat tritt dann auf, wenn sich zwei Texte aufeinander beziehen, weil Text B unter Verwendung von Text A geschrieben wurde.  Zwei Texte können aber auch ähnlich sein, weil beide denselben Gegenstand behandeln und z.B. dasselbe Kunstwerk oder dieselbe Untersuchungsmethode beschreiben. Die hieraus zwangsläufig resultierende Textähnlichkeit ist von einem Plagiat zu unterscheiden (vgl. Pecorari 2013: 19f). Das erklärt auch, warum z.B. die Einleitungen von medizinischen Fachartikeln über denselben Forschungsgegenstand oft sehr ähnlich klingen, ohne als wörtliche Zitate gekennzeichnet zu werden: Die Texte beziehen sich nicht aufeinander, sondern beschreiben denselben Forschungsgegenstand, der kaum in anderen Worten dargestellt werden kann. Dieses Phänomen tritt v.a. in stark konventionalisierten oder genormten Textteilen auf (vgl. Pecorari 2024: 20).

Didaktische Perspektive: Täuschungsabsicht vs. Fehler

Für den Lehr-/Lernkontext wird bei der Definition eines Plagiats häufig berücksichtigt, dass nicht markierte textuelle Übereinstimmungen in studentischen Texten auch Fehler sein können und nicht auf eine Täuschungsabsicht zurückgehen müssen. An der Ruhr-Universität Bochum z.B. werden Plagiate in studentischen Arbeiten deshalb folgendermaßen definiert:

„Die RUB definiert für den Regelungsbereich dieser Richtlinie ein Plagiat als gegeben, wenn Studierende im Kontext einer Prüfungs-, Studienleistung oder Abschlussarbeit zum eigenen Vorteil absichtlich Formulierungen, Gedanken oder wissenschaftliche Ergebnisse einer anderen Person übernehmen, ohne dies in angemessener Weise zu kennzeichnen.“ (RUB 2020)

Eine Definition in diesem Sinne gibt Ihnen als Lehrende den Spielraum zu entscheiden, ob Sie eine nicht markierte Übernahme in einem studentischen Text als Fehler oder als bewusstes Plagiat (und damit als einen Täuschungsversuch im Sinne der Prüfungsordnung) einstufen. Von dieser Einschätzung ist Ihr weiteres Vorgehen abhängig.

„Nicht markierte textuelle Übereinstimmung“ als neutraler Begriff

Da der Begriff „Plagiat“ bereits die Beurteilung enthält, dass fremde geistige Leistungen wissentlich und willentlich als eigene ausgegeben werden, verwende ich in diesem Beitrag den Begriff „nicht markierte textuelle Übereinstimmung“. Diese Formulierung beschreibt neutral, dass Informationen und/oder Formulierungen aus einem Text ohne Kennzeichnung in einen anderen übernommen wurden, ganz egal, ob durch einen Fehler oder mit einer Täuschungsabsicht. Um einen studentischen Text möglichst unvoreingenommen zu betrachten und mit Studierenden über ihre Texte zu sprechen, ist es sinnvoll, auf die genaue Formulierung zu achten und nicht vorschnell von Plagiaten zu sprechen.

Plagiat als Ärgernis

Die emotionalen Reaktionen auf Plagiate in studentischen Texte sind vielfältig und wahrscheinlich kennen Sie einige von ihnen: Enttäuschung betrogen worden zu sein, Ärger über unfaires Verhalten den anderen Studierenden gegenüber, Unmut über zusätzliche, unproduktive Arbeit, die Notwendigkeit unangenehme Entscheidungen treffen und vielleicht lästige Gutachten schreiben zu müssen oder vielleicht auch Wut und Frustration, weil Sie sich in der Lehre engagieren, einzelne Studierende es sich aber einfach machen und versuchen, sich eine gute Bewertung zu erschleichen. All diese Reaktionen sind nur zu verständlich. Ein Plagiat betrifft die Beziehung zwischen Texten und die Beziehung zwischen Menschen: Leser*innen/ Prüfer*innen werden getäuscht und nicht zitierte Autor*innen werden um die Anerkennung ihres geistigen Eigentums gebracht.[1]

Trennen Sie die emotionalen Reaktionen von Ihrem professionellen Handeln als Lehrende*r und Prüfende*r. Um wieder zu einem sachlichen Blick auf den fraglichen Text zu kommen, kann es hilfreich sein sich damit zu beschäftigen, was Studierende zum Plagiieren veranlasst und wie es zu Fehlern im Umgang mit Fachliteratur kommen kann.

[1] Für den Gedanken, dass es in einem Plagiatsfall diese beiden geschädigten Seite gibt, danke ich Nadine Lodick. Je nach Situation kann die eine oder die andere Seite im Vordergrund stehen.