Mit negativem Feedback möglichst positive Wirkungen erzielen!
Feedback stellt eines der wirksamsten Instrumente dar, um Lernprozesse zu unterstützen. Insbesondere kritische Rückmeldungen können dazu beitragen, die Leistungsentwicklung der Studierenden zu befördern. Gleichzeitig hört niemand gerne Kritik und negatives Feedback löst oft Abwehrreaktionen aus.
Daher sollte es bei der Übermittlung von Rückmeldungen das erste Ziel der*des Feedbackgebenden sein, das Feedback so zu gestalten, dass die Feedbackempfangenden die Botschaft annehmen und akzeptieren können – ohne dabei einen kritischen Inhalt aufzuweichen oder wegzulassen. Die Akzeptanz einer Feedbackbotschaft trägt zwar noch nicht zwingend zu einer konstruktiven Nutzung bei, stellt aber eine unabdingbare Grundlage dafür dar. Umso wichtiger ist das bei Feedbackmomenten, bei denen keine objektiv richtigen Lösungen vorliegen, sondern subjektive Wahrnehmungen einen größeren Stellenwert einnehmen: Im universitären Prüfungskontext gibt es natürlich Aufgabenstellungen, bei denen eindeutig korrekte Antworten vorliegen (z.B. bei Definitionen oder Formeln), andererseits gibt es aber auch Kontexte, in denen (trotz ausgefeilter Bewertungskriterien und -schablonen) die individuellen Bewertungen der Prüfenden einen größeren Anteil einnehmen. Insbesondere in solchen Kontexten ist es wichtig, einen Kommunikations- und Erklärungsweg zu finden, der es Lernenden ermöglicht, eine (kritische) Rückmeldung anzunehmen.
Eine Gedankenschablone hierzu stellt das Werte- und Entwicklungsquadrat dar.
Das Werte- und Entwicklungsquadrat
Im Gegensatz zum aristotelischen Tugendverständnis, wonach Tugend die rechte Mitte (Mesótes) zwischen zwei fehlerhaften Extremen beschreibt (z.B. Tapferkeit als die rechte Mitte zwischen Feigheit und Tollkühnheit), geht Schulz von Thun (o.J.) in seinem Werte- und Entwicklungsquadrat davon aus, dass es zu jeder „Tugend“ eine korrespondierende „Schwestertugend“ gibt. Sowohl die Tugend (z.B. Sparsamkeit) als auch die Schwestertugend (z.B. Großzügigkeit) sind positiv besetzt und per se anzustrebende Eigenschaften. Erst durch verstärkte Ausprägungen der beiden Tugenden, wenn also des „Guten zu viel“ vorliegt, entsteht eine untugendhafte Übertreibung – die Sparsamkeit geht dann in Geiz über, die Großzügigkeit in Verschwendung.
Ist es laut Aristoteles Ziel und Aufgabe des Menschen, die rechte Mitte zu erreichen, geht es beim Werte- und Entwicklungsquadrat darum, Tugend und Schwestertugend als einander korrespondierende Gegenüber anzuerkennen und den Spannungsbogen zwischen beiden auszuhalten. Ziel ist es demnach nicht, den Sparsamen von der Großzügigkeit zu überzeugen (und andersherum), sondern die jeweilige Gegentugend als wertvollen (Gegen-)Wert zu sehen und eine situativ-dynamische Balance zwischen den beiden Tugenden herzustellen. Durch den Bezug zur Schwester- oder Gegentugend wird auch die Gefahr reduziert, eine Tugend untugendhaft überhöht auszuleben (im Sinne eines „des Guten zu viel“).
Feedback geben mit dem Werte- und Entwicklungsquadrat
Ein Feedback lässt sich im Werte- und Entwicklungsquadrat sehr gut über den nachfolgenden Drei-Schritt aufbauen (Schulz von Thun 2004): Würdigung einer Tugend, Gefahrenhinweis in Richtung übertreibender Untugend, Andeutung einer Entwicklungsrichtung hin zur Schwestertugend.
Dieser Aufbau erinnert etwas an das sogenannte Feedbacksandwich, bei dem ein kritisches Feedback von zwei positiven Rückmeldeinhalten eingerahmt wird. Wesentlicher Unterschied beim Drei-Schritt im Wert- und Tugendquadrat ist, dass sich die Rückmeldung auf einen Inhaltsbereich bezieht und hierbei eine kritische Rückmeldung (Gefahrenhinweis bzgl. übertreibender Untugend) auf einer inhaltsgleichen würdigenden Grundhaltung aufbaut und um Entwickungshinweise ergänzt wird. Wesentliche Probleme in der Anwendung des Feedbacksandwichs werden dadurch vermieden.
Handlungsempfehlungen
Zwei Beispiele aus dem Prüfungskontext finden sich in nachfolgender Tabelle:
Drei-Schritt |
Beispiele aus dem Prüfungskontext |
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Seminararbeit |
Referat/ Präsentation |
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1. Positive Würdigung der Tugend |
Sie haben das Thema in der Seminararbeit sehr differenziert mit vielen Beispielen und Details dargestellt. |
Sie haben Ihr Referat sehr lebendig und abwechslungsreich gestaltet, mit viel Bewegung im Raum und einigen aktivierenden Methoden. |
2. Gefahrenhinweis bzgl. Überhöhung/ Untugend |
Es besteht dabei etwas die Gefahr, dass die Übersichtlichkeit etwas verloren geht und der rote Faden nicht mehr erkennbar ist |
Es kann dabei passieren, dass die Inhalte etwas in den Hintergrund geraten und die Teilnehmenden abgelenkt werden. |
3. Hinweis zu Entwicklungs-richtung/ Schwestertugend |
Versuchen Sie, die Kernideen des Themas und den Zusammenhang der einzelnen Themenbereiche im Fokus zu behalten und darzustellen, z.B. Zusammenfassungen am Ende eines Kapitels |
Behalten Sie die Inhalte im Blick und räumen Sie Ihnen genügend Raum ein, geben Sie auch den Teilnehmenden genügend Möglichkeit die Inhalte zu reflektieren/verarbeiten. |