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„Rückmeldung verankern“ – Feedback und Evaluation in der Blockveranstaltung „Regel(ge)recht gut beraten“

Worum geht’s? Was sind die zentralen Ausgangspunkte Ihres Lehrkonzepts?

Das B.A.-Seminar „Regel(ge)recht gut beraten: Rechtliche und ethische Orientierung für den Start in die professionelle Praxis“ richtet sich an Sozialarbeiter*innen, die das Modul „Menschenbilder und Professionsethik“ besuchen. Ziel des fächerintegrierenden Lernangebotes ist es, Orientierungswissen für „gute“ Soziale Arbeit auch bei widersprüchlichen Rollen und mehrdeutigen Anforderungen zu erarbeiten. Mit „fächerintegrierend“ wird hier ein Konzept bezeichnet, das im Gegensatz zu disziplinübergreifenden Formaten Fächer, die sonst voneinander getrennt unterrichtet werden, miteinander verzahnt und sie integrativ (durchaus auch komparativ und kontrastiv) auf eine Fragestellung und/oder einen Gegenstand bezieht; in diesem Fall die Fächer „Recht“ und „Ethik“, die auf den Tätigkeitsbereich „Beratung“ zentriert werden. Dabei rücken Analysieren, Reflektieren und begründendes Positionieren zwischen rechtlicher Legalität und/vs. moralischer Legitimität in den Mittelpunkt.

Abbildung: Verzahnung der Themen (eigene Darstellung)

Das Seminar umfasst zwei Semesterwochenstunden und wird als Präsenzveranstaltung in vier Blöcken á sieben Unterrichtsstunden zzgl. einer kurzen Auftaktveranstaltung durchgeführt. Diese intensive Form der Blockveranstaltung dient dazu, den Studierenden ein Mindestmaß an Raum und Zeit zu geben, sich in zwei i.d.R. neue Fachbezüge und den konkreten, aber wenig vertrauten Gegenstand einzufinden. Das Seminar endet mit einer modulabschließenden mündlichen Prüfung.

Abbildung: Veranstaltung in Blöcken (eigene Darstellung)

Welche Verfahren zur Evaluation wenden Sie an?

Analysieren, Reflektieren und begründendes Positionieren sind eingebettet in einen Prozess der fortlaufenden Interaktion, und damit auch von Feedback und Evaluation. Feedback wird hierbei als offen-informeller Prozess verstanden, Evaluation als geleitet-formalisiertes Vorgehen; beide greifen ineinander und lassen sich daher nicht immer trennscharf unterscheiden, was jedoch für das Seminar selbst auch nicht erforderlich ist. Immer wieder Evaluationen und Feedback in den Seminarablauf einzubeziehen, ermöglicht zweierlei: einerseits wird der bereits erzielte und der noch zu erzielende Lernfortschritt einschätzbar, andererseits können die von mir angebotenen und die für Studierende interessanten Inhalte abgeglichen, präzisiert, kontextualisiert und gewichtet werden.

Dazu verwende ich insbesondere folgende Verfahren:

  1. regelmäßige Rückfragen zum inhaltlichen Verstehen, zur Nachvollziehbarkeit und Einordnung der Inhalte, zu offenen Fragen, zum In-Bezug-Setzen zu der vorherigen Einheit und dem „roten Faden“ durch das Gesamtseminar (stets zu Anfang, Mitte und Ende jeder Blockveranstaltung).
  2. Angebot des inhaltlichen Selbsttests zu Beginn der Blöcke 2 bis 4; dazu dient ein Handout mit vorbereiteten Fragen aus der/den vorangegangenen Veranstaltungen, die erst in Kleingruppen korrigiert werden, um dann offene Fragen im Plenum zu besprechen; der Selbsttest wird somit nicht eingesammelt und bewertet.
  3. fortlaufende Entwicklung eines Lerntagebuchs mit dem Ziel, daraus als Seminarprodukt einen praxistauglichen Beratungsleitfaden zu entwickeln; für Einträge wird jede Blockveranstaltung i.d.R. nach 90 Minuten für fünf Minuten unterbrochen, um Zeit für Einträge und daran anschließende Fragen nutzen zu können.
  4. Einsatz eines eigenen Evaluationsbogens nach der zweiten Blockveranstaltung in Anlehnung an Evasys, aber mit auf das Seminar zugespitzten Fragen: nur bei frühem Einsatz des Evaluationsbogens können noch Änderungen an den Inhalten vorgenommen werden.
  5. Evasys-Bogen am Ende der vierten Blockveranstaltung; das Ergebnis wird binnen einer Woche online an die Studierenden gesendet: dabei Dank an die Studierenden und Mitteilung der „Lessons learned“ und der für den nächsten Durchlauf gezogenen Konsequenzen

Wie gestalten Sie das anschließende Feedbackgespräch?

Alle o.g. Verfahren sind Teil von Feedback und Reflexion! Das Feedbackgespräch nach Auswertung der Evaluationsergebnisse setze ich am Ende der zweiten Blockveranstaltung folgendermaßen um:

Das dreiseitige Handout umfasst anzukreuzende und per Freitext zu beantwortende Fragen, u.a. zum Anspruch des Seminars, zur studentischen Selbst- und Gruppeneinschätzung und zur Lehrenden, aber auch für ein Lob an das Seminar und einem Tipp für die verbleibenden beiden Veranstaltungen. Die Seiten lasse ich am Ende der zweiten Blockveranstaltung anonym ausfüllen und sammle sie in einem Briefumschlag ein. Die Ergebnisse fasse ich daraufhin zusammen und versende die Auswertung mindestens drei Tage vor der dritten Blockveranstaltung online (über moodle) an die Seminarteilnehmenden mit der Bitte um Lektüre. Für das Feedbackgespräch plane ich für den Anfang der dritten Blockveranstaltung maximal 15 Minuten Zeit ein, denn erstens kennen die Studierenden die Auswertung bereits und zweitens dient meiner Erfahrung nach die zeitliche Begrenzung der inhaltlichen Fokussierung. Das Feedbackgespräch beinhaltet zunächst einen kurzen wiederholenden Gesamtüberblick (am besten als Powerpoint). Der Schwerpunkt liegt auf unklaren, widersprüchlichen oder noch nicht ausreichend griffigen Rückmeldungen, über die ich mit der Gruppe ins Gespräch komme.

  • Als mögliche Formulierungen für Fragen, die Sie als Lehrende an die Studierenden richten können, haben sich z.B. bewährt: Erklären Sie mir bitte mehr! Was bedeutet das konkret? Was ganz genau wünschen Sie sich mit XY? Woran werden Sie feststellen, wenn sich XY in Ihrem Sinne geändert hat?

Auch hierbei strebe ich eine konstruktive Interaktion und die Suche nach Lösungen an.

  • Meine Ziele: Bedarfe und Bedürfnisse besser verstehen können, Tipps für konkrete Umsetzungen sammeln, gegenseitig Erwartungen und Grenzen klären.
  • Meine Perspektive: rückblickend/bilanzierend und vorausschauend/ergebnisorientiert.
  • Meine Grundhaltung: neugierig, dialogisch und interessiert, aber klar: Nur ich entscheide, welches Feedback ich wie berücksichtige!

Was gilt es bei der Durchführung zu beachten? Was sind Tipps und Tricks?

Hilfreich ist es…

  • Rollen und Erwartungen zu realisieren und zu klären, z.B. in der hier beschriebenen Blockveranstaltung als Lehrende vorrangig in der Moderations- und Führungsrolle zu sein und die Rolle als Fachexpertin durch gezielte Impulsvorträge und Kommentierungen nur zeitweise einzunehmen.
  • Feedback nicht zu verstehen als Belehren, Rechtfertigen oder Ignorieren, sondern als Instrument zur beteiligungsorientierten Diskussion, das es ermöglicht eine Lernsituation konstruktiv zu verstehen und zu moderieren.
  • Mit verschiedenen Methoden für Abwechslung in den o.g. Verfahren zu sorgen: z.B. gelbe Karte (als Symbol zur sofortigen Seminarunterbrechung, z.B. bei „Ich komme gerade nicht mit“, „Roten Faden verloren“, „Langweile mich“; prima als Symbol zur sofortigen Seminarunterbrechung und Aufruf zur Selbstverantwortlichkeit der Studierenden für ihre Belange), Flüstergespräch mit dem Sitznachbarn über eine aufgeworfene Inhaltsfrage (hilfreich bei sich noch unbekannten Gruppen), Streichholzabfrage (ein Streichholzpäckchen wird herumgegeben, die Rückmeldung dauert nur so lange, wie ein Streichholz brennt; gut bei sich unbekannten oder reaktiveren Gruppen), Barometerabfrage (z.B. durch Klebepunkte auf einem Flipchart zwischen „Stimme zu“ und „Stimme nicht zu“; lädt zur Bewegung ein), uvm.
  • Prüfung und Feedback zusammen zu denken: Auch die Abschlussprüfung kann als Teil von Feedback genutzt werden (zur Notenmitteilung nach der Prüfung zzgl. ein möglichst konkretes Lob und einen Tipp formulieren; Verabschiedungsfrage nach der Prüfung: „Nennen Sie mir bitte noch einen Aspekt aus dem Seminar oder aus dem Beratungsleitfaden, den Sie für Studium und Beratungspraxis nicht mehr vergessen werden?“)

Was sind Stolpersteine?

Es geht bei dieser Form der ineinander verzahnten und intensiven Selbst- und Seminarreflexion um konstruktives, seminarinternes Feedback, nicht um die Erzeugung einer Erfolgsbilanz gegenüber der Hochschule, ein Wünsch-Dir-Was oder einen Selbstzweck zum Zeitfüllen. Das muss den Studierenden aber auch erläutert werden, denn sie sind erfahrungsgemäß einen unterschiedlichen Umgang mit Feedback gewöhnt. Dies kann z.B. das formalisierte Einsetzen von Evaluationsbögen ohne Anbindung an Feedback umfassen. Um die ineinander greifenden Feedback- und Evaluationsverfahren inhaltlich konstruktiv und zeitlich planbar zu gestalten, müssen die Spielregeln und Inhalte des Seminars bereits in der Auftaktveranstaltung (und danach mindestens als stetige visuelle Erinnerung, z.B. ein Flipchart-Papier) transparent eingeordnet werden. Ebenso müssen Seminarinhalte, Seminargrenzen und gegenseitige Erwartungen geklärt werden. Dazu gehört für mich auch, den Sinn und Zweck der einzelnen Verfahren und ihren Mehrwert für die Studierenden anzusprechen und ihnen in der Auftaktveranstaltung zu ermöglichen, ohne Kommentar oder Restriktion aus dem Seminar aussteigen zu können (am besten im Rahmen einer fünfminütigen Pause).

Feedback erzeugt aber auch eine Änderungserwartung. Als Lehrende*r muss man daher noch während der Konzeption von Feedbackverfahren für ein Seminar überlegen, wie viele Ressourcen man für die Anpassung von Inhalten etc. einbringen kann und möchte. Denn Studierende merken schnell, ob die Lehrperson Feedback als Selbstzweck nutzt oder verärgert reagiert, was nicht ohne destruktive Konsequenzen für den weiteren Seminarverlauf bleiben dürfte.

Stolpersteine im Zusammenhang mit Feedback können gemeistert werden, wenn Sie a) gegenüber Studierenden die Ziele des Seminars und der Evaluationen klären und b) sich selbst gegenüber Ihr Lehr-bzw. Rollenverständnis und die für die Seminardurchführung zur Verfügung stehende Ressourcen vergegenwärtigen!

Weiterführende Hinweise (Links, Literatur etc.)

Um Feedback als Technik (Methode) und Haltung (wertschätzend-interaktiver Dialog) vertreten und als Beitrag zur eigenen Weiterentwicklung in der Lehre nutzen zu können, lohnt es sich, das eigene Lehr- und Lernparadigma ausgiebig zu reflektieren – das macht auch gelassener, wenn es mal turbulent wird und harsche Kritik konstruktiv zu wenden oder seminarferne Klagen zu begrenzen sind.

Das dem hier skizzierten Seminar zugrundeliegende Lernverständnis basiert beispielsweise auf der konstruktivistischen Haltung der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth Cohn.