Valenz von Feedback (positives vs. negatives Feedback)

Unter „negativem Feedback“ wird hier verstanden, dass ein Ziel nicht erreicht und eine Erwartung nicht erfüllt wurde – dies wird in der Alltagssprache mit „Kritik“ oder „Korrektur“ assoziiert. „Positives Feedback“ meint demgegenüber, dass ein Standard erreicht oder eine Erwartung erfüllt wurde – dies wird mit „Lob“ oder „Anerkennung“ in Verbindung gebracht. „Positiv“ und „negativ“ bezieht sich somit lediglich auf den Abgleich eines von anderen (z.B. Dozierenden) oder einer Person selbst definierten SOLL-Zustandes zum vorliegenden IST-Zustand, nicht auf die Formulierung einer Feedbackbotschaft.

Auf theoretischer Ebene lassen sich Leistungssteigerungen sowohl über negatives als auch über positives Feedback erklären:  Kontrolltheorie und Zielsetzungstheorie gehen davon aus, dass durch eine negative SOLL-IST-Abweichung Motivation entsteht, ein Ziel doch noch zu erreichen (Carver & Scheier 198; Locke & Latham 1990). Diesen Diskrepanz-reduzierenden Prozess ergänzt Bandura (1991) im Rahmen seiner sozial-kognitiven Lerntheorie um einen Diskrepanz-produzierenden Mechanismus: Eine Zielerreichung (=positives Feedback) führt demnach zu gesteigertem Selbstvertrauen. Dies wiederum bewirkt, dass sich Menschen selbst neue, höhere Ziele setzen (also zunächst Diskrepanz schaffen), die sie im Anschluss zu erreichen suchen.

Obwohl negatives Feedback eher abgelehnt wird und analog dazu positive Rückmeldungen eher präferiert und akzeptiert werden, zeigen zahlreiche empirische Studien, dass negatives Feedback zu deutlicheren Leistungssteigerungen führt als Positives (Kluger & DeNisi 1996). Zum einen, weil nur durch kritische Rückmeldungen Hinweise auf Verbesserungspotentiale gegeben werden. Zum anderen, weil positives Feedback, sprich Lob, schnell auf die eigene Persönlichkeit bezogen wird und somit zu (Selbst)Zufriedenheit führt. Aus rein methodischer Sicht sollte ergänzt werden, dass bei einem positiven Feedback nicht mehr so viel Verbesserungsspielraum wie bei einem negativen Feedback verbleibt.

 

Was sagen Studierende?

„Ich lerne am meisten durch gute Kritik, die kann von mir aus auch schlecht sein. Ich habe einmal eine Hausarbeit bekommen, in der ich eine für mich schlechte Note hatte. Das Feedback dazu war aber einfach nur super, da habe ich wirklich zwei, drei Seiten ausformuliert bekommen, was gut und schlecht war. Da konnte ich richtig was mit anfangen. Dagegen haben mir z.B. Arbeiten, wo ich eine 1,0 hatte, aber gar kein Feedback bekommen habe, gar nichts gebracht, außer, dass es halt auf meinem Transkript gut aussieht.“ (3. Mastersemester Geschichte und kath. Theologie)

Handlungsempfehlungen:

Auch wenn es für alle Beteiligten oft unangenehm ist: Lernprozesse von Studierenden können vor allem durch Hinweise auf relevante Entwicklungsfelder, also negatives Feedback, unterstützt werden – und nur bedingt durch positive Rückmeldungen! Die Herausforderung besteht darin, kritisches Feedback so zu formulieren und aufzubauen, dass es von den Empfangenden nicht abgelehnt, sondern bestmöglich angenommen und akzeptiert wird. Formulieren Sie das Feedback möglichst spezifisch mit Blick auf ein vorliegendes Arbeitsergebnis (Prüfung, Seminararbeit) und eine Aufgabenstellung. Dies verhindert, dass die Rückmeldung von den Studierenden auf die eigene Persönlichkeit bezogen wird, was eher mit einer Ablehnung der Feedbackbotschaft einhergeht. Lassen Sie Ihr eigenes negatives Feedback nicht einfach so als Endpunkt eines Gesprächs stehen, sondern verstehen Sie es als Ausgangspunkt für einen weiterführenden Dialog mit den Studierenden. Suchen Sie im Anschluss an jeden kritischen Feedbackpunkt aktiv mit den Studierenden nach Strategien und Lösungen, wie Lern- oder Arbeitsprozesse künftig verbessert werden können. Im Idealfall kommen Sie hierbei mit den Studierenden in einen Austausch über den Entstehungsverlauf eines Prüfungsergebnisses (und somit zu Ihrem Feedback!) – versuchen Sie, unter Einbezug Ihrer Fachexpertise, diesen Prozess zusammen mit den Studierenden zu beleuchten und nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. Entscheidend sollte an dieser Stelle also weniger Ihr kritisches Feedback sein, denn dieses stellt ja nur einen Blick zurück auf vergangene Lernprozesse und Leistungen dar, sondern vielmehr der gemeinsame Blick in die Zukunft, auf Aspekte, die im nächsten Prüfungsverlauf anders gestaltet werden können (Hattie & Gan 2011).